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MÄRCHEN

Buch 18 x 18 cm, 86 Seiten, 11 Abbildungen, 12,50 EURO
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Der Zitronenbaum. Er steht einsam am falschen Ort, umgeben von düsteren Meckerbäumen, die nicht von seiner Art sind. Wenn er sich freut, sich wohlfühlt, will er sein Glück mit jemandem teilen, will er singen. Doch die anderen Bäume im Wald haben dafür kein Verständnis. Sie schimpfen so laut, dass sich der kleine gelbe Zitronenbaum am liebsten in die Erde verkriechen möchte. Es gibt da aber einen Freund ...

Die ungeheuerliche Geschichte vom ungeheuer ungeheuerlichen Ungeheuer. Das Märchen vom friedlichen Miteinander, von Freundschaft unter den Arten. Im Mittelpunkt steht Tinosarius, ein leibhaftiges, sehr ehrgeiziges Ungeheuer. Für alle Zeiten will Tinosarius verewigt sein, in Büchern. Die Helden der Welt sollen sich mit ihm messen. Er will in die Geschichte eingehen, als das ungeheuerlichste Ungeheuer aller Zeiten. Da gibt es noch Thomas den Freund, alle Tiere des Zauberwaldes, den Briefträger, den Zirkusdirektor ...

Einfach ungeheuerlich! Ungeheuerlich kreativ!

Der Regenwurm. Die Geschichte spielt irgendwo, dort wo Regenwürmer leben und Riesen. Sie handelt von einem jungen Regenwurm, der fliegen und frei sein möchte, wie die Vögel. Zuerst will er Stewardess werden bei der Regenwurm-Airlines. Das scheitert. Auf dem Weg zum großen Schweben, zum Regenwurmparadies, trifft er auf einen versierten Lehrmeister und macht seine Erfahrung.

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AUS DEM INHALT:

Der Zitronenbaum

Aufgepasst, wir sind nicht mehr allein. Da hat wieder jemand unser Buch aufgeschlagen. Er schaut uns zu. Hallo, wer bist denn du? Das hier ist der Zitronenbaum. Der blaue Vogel mit dem leuchtend roten gebogenen Schnabel? Das ist unser gemeinsamer Freund Kaku.

Ich? Ich bin der, der diese Geschichte geschrieben hat.

Was, die sehen lustig aus? Klar, die sind auch lustig, die beiden. Kaku, sag doch mal was. Sei nicht so schüchtern. Wieso ein Vogel sprechen kann? Klar können Vögel sprechen, auch Bäume. Alle Lebewesen können sprechen. Sie haben natürlich ihre eigenen Sprachen. Es sind Sprachen die wir Menschen meistens nicht verstehen. Kaku ist ein besonderer Vogel. Er spricht viele Sprachen. Ich glaube, alle. „He Kaku, nun sag doch mal was. Sag wenigstens guten Tag."

"Guten Tag."

Na, das war ja nicht viel. Kaku ist nicht immer so. Wenn wir unter uns sind ist er sehr gesprächig. Und er hat viel zu erzählen. Er hat viel erlebt, unser Kaku. Er ist auch sehr klug. Natürlich kann der Zitronenbaum auch sprechen. Doch er traut sich ebenfalls nicht, jetzt, wo du ihm zuschaust. Warum seid ihr beiden immer so schüchtern wenn jemand das Buch aufschlägt? Wer ein Buch in die Hand nimmt will etwas erfahren. Er hat ein Recht darauf. Dazu sind Bücher da. Ihr seid in einem Buch, vergesst das nicht. Erzählt eure Geschichte. Erzählt wie ihr euch kennengelernt habt. Nein? Ihr beiden wollt nicht? Dann erzähle ich jetzt eure Geschichte.

"Oh, wie schön ist das Abendrot. Oh, wie angenehm die letzten Sonnenstrahlen. Oh, wie wunderbar ist die Natur, wie groß und rein. Oh, wie ..."

"Ruhe! Was soll das, was fällt dir ein? So ein Lärm, so ein Geschwätz. Hör sich das nur einer an."

"Aber ..."

"Ja, du hast Recht. Ich kann das Gefasel auch nicht mehr hören. Jeden Abend geht das so. Und morgens noch viel schlimmer."

"Aber ..."

"Oh, wie schön, wie wunderbar. So fängt das schon am frühen Vormittag an. So etwas Albernes. Überhaupt, wer bist du denn schon, du Wicht? Was fällt dir ein uns jeden Tag mit deinem Gejammer zu belästigen? Wo kommst du eigentlich her? Du gehörst hier gar nicht hin."

"Aber ..."

"Papperlapapp. Kein Aber. Du gehörst hier nicht hin. Oder siehst du noch so einen gelben Zwerg wie dich? Heh? Es hat dir wohl die Sprache verschlagen, wie? Sag gefälligst was, wenn du gefragt wirst."

"Ihr lasst mich ja nicht. Ich will was sagen. Will sagen ..., will sagen ... Ich will sagen, warum schimpft ihr immer so mit mir? Ich tue doch keinem was. Ich bin doch nur ein Baum wie ihr."

"Ein Baum wie wir. Ho, ho. Hör sich das einer an. Ein Baum wie wir, sagt dieses gelbe Gestrüpp." (...)

An jenem Abend, an dem die Bäume des Waldes mal wieder so arg mit dem Zitronenbaum geschimpft hatten, geschah es, dass ein großer blauer Vogel, mit leuchtend rotem gebogenem Schnabel, sich auf dem obersten Ast der gelben Blätterkrone niederließ. Erst war der Zitronenbaum sehr erschrocken. Doch dann fasste er sich Mut und fragte, obwohl er die Sprache der Vögel nicht verstand: "Hallo, was bist denn du für einer? Wie siehst du denn aus? So einen großen und bunten Vogel habe ich ja noch nie gesehen." Er rechnete gar nicht mit einer Antwort. Umso mehr überraschte ihn was er dann hörte.

"Ich bin Kaku".

"Was, Kaku heißt du? Schön siehst du aus. Aber wieso kann ich dich verstehen? Sprichst du die Sprache der Bäume?"

"Ich spreche viele Sprachen, auch eure. Ich habe vorhin das große Geschimpfe gehört. Durch den ganzen Wald hat es geschallt. Du tust mir leid, so allein wie du hier zwischen Bäumen stehst die nicht von deiner Art sind. Und wie hässlich die zu dir sind."

"Hässlich, hast du hässlich gesagt? Die sagen doch immer, ich sei hässlich."

"Dummes Zeug ist das. Du bist wunderschön. Ich habe selten einen so wohlgeformten Zitronenbaum gesehen."

"Wirklich? Hast du denn schon andere Zitronenbäume gesehen? Gibt es noch mehrere von meiner Art?"

"Natürlich. Dort wo ich herkomme gibt es unzählige davon. Da gibt es Gegenden in denen man nur Zitronenbäume sieht, wohin man auch schaut." (...)

Und wieder war Nacht und Stille ringsum. Nur der klagende Schrei einer Eule durchdrang das dunkle Gewirr der Blätter und Äste. Hu, hu, hu, hu ... klang es durch den Wald. Kein Luftzug regte sich. Irgendwie schien dem Zitronenbaum in dieser Nacht alles anders. Das Dunkel war dunkler als sonst, die Stille stiller, die nächtliche Kühle kühler. Es fröstelte ihn. Aus den Wurzeln heraus zog eine eisige Kälte langsam am Stamm entlang nach oben. Er konnte kein Auge schließen.

Plötzlich war ihm, als griff etwas Großes, Starkes in seine Äste. Er fühlte sich emporgehoben. Es schmerzte, als zerrte eine Urgewalt an ihm. Aber nicht nur an ihm. Um ihn begann ein Jammern und Stöhnen. Ein fürchterlicher Sturm wütete unter den Bäumen. Ein Orkan, wie ihn dieser Wald noch nicht erlebt hatte. Der mit ungeheurer Geschwindigkeit um sich selbst wirbelnde Wind heulte und tobte, ließ große Bäume knicken wie Grashalme. Hohe Stämme bogen sich in wilder Kreisbewegung. Sie erschlugen sich gegenseitig. Der Wald war erfüllt von Krachen, Bersten und Wehklagen.

Der Zitronenbaum klammerte sich mit den dünnen schwachen Wurzeln an den Rest der Erde, die ihn noch hielt. Und dann ... ein fürchterlicher Ruck! Er konnte sich nicht mehr halten. Er kullerte, kullerte, flog gegen geborstene Stämme, kullerte, kullerte, versuchte sich festzuklammern an irgendetwas. Ohne Erfolg. Er kullerte, kullerte ... Es wurde schwarz um ihn herum. (...)

Der Regenwurm

Irgendwo

Es war einmal ein Regenwurm. Der war schon ganz schön groß. Jedenfalls fühlte er sich so. Er sah aus wie die meisten Regenwürmer seines Alters. Das heißt, nicht ganz. Er war etwas kleiner als die, die mit ihm in die Regenwurmschule gingen. Nur ein paar Zentimeter, aber die fehlten ihm halt. Die Eltern nannten ihn: unser kleiner Regenwurm. Sie liebten ihn sehr. Er war ihr einziger. Weil die Eltern ihn liebevoll unser kleiner Regenwurm nannten, werden wir ihn auch liebevoll so nennen, in dieser Geschichte.

Dass unser kleiner Regenwurm etwas kleiner war als die meisten Regenwürmer seines Alters merkte er besonders in der Schule. Besonders dann, wenn sie in Gruppen zusammenstanden, in der Pause, die Regenwurmschüler. Unser kleiner Regenwurm musste immer schräg nach oben schauen. Das gab ihm das Gefühl als würden die anderen Regenwurmschüler von oben auf ihn herabschauen. Unser kleiner Regenwurm machte seinen Eltern viel Freude. Er war brav und fleißig. Beinahe in allen Schulfächern hatte er gute Noten. Die Zeugnisse zeigten seine wahre Größe.

Jahre waren vergangen. Alle Regenwürmer der Welt waren älter, die jungen, und dazu zählte unser kleiner Regenwurm ja auch, noch etwas größer geworden. Es kam die Zeit, dass sich die Regenwürmer seines Jahrganges erwachsen fühlten. Nein, sie fühlten sich nicht erwachsen, sie waren es. Bei den Regenwürmern der männlichen Art sah man das deutlich an den kleinen Haaren unter der Nase. Bei den Regenwürmern der weiblichen Art, und dazu zählte unser kleiner Regenwurm, sah man es deutlich an den beiden kleinen Kugeln über dem Bauch.

Natürlich wird ein Regenwurm nicht von heute auf morgen erwachsen. Das ist ein Prozess. Und der dauert schon einige Zeit. Wie lange? Das kann man nicht mit Bestimmtheit sagen. Es ist von Regenwurm zu Regenwurm verschieden. Unser kleiner Regenwurm merkte jeden Morgen, dass er erwachsen war. Im Spiegel sah er nicht mehr nur seine buschigen roten Haare und seine blauen Augen. Nein, er sah jeden Morgen, ohne dass er sich anstrengen musste, ein großes Stück von sich. Ah, erwachsen zu sein ist ein befreiendes Gefühl. Unser kleiner Regenwurm reckte und streckte sich genüsslich. Er ließ dabei die kleinen Kugeln über dem Bauch hüpfen.

Es war nun auch an der Zeit, dass sich die Regenwürmer seines Alters Gedanken machen mussten über den Sinn und Zweck des Lebens. Eltern von Regenwürmern leben nämlich in der Regel nicht mehr so lange wenn die Regenwurmkinder erst einmal erwachsen sind. Das ständige Herumkriechen in der oftmals sehr feuchten Erde macht sie schon früh krank und gebrechlich. Auch unser kleiner Regenwurm machte sich Gedanken über seine Zukunft. Er ahnte, dass das Leben der Erwachsenen viel Schönes und Interessantes zu bieten hat. Er hörte gern zu, wenn ältere über die Dinge des Lebens sprachen. Manchmal flüsterten die Freundinnen sich kichernd etwas ins Ohr. Doch was sie flüsterten und worüber sie kicherten, das erfuhr unser kleiner Regenwurm nicht. Ihm flüsterte niemand etwas ins Ohr. Ob daran die paar Zentimeter schuld waren, die ihm fehlten? Er war immer noch kleiner als seine Altersgleichen.

Das war auch der Grund dafür weshalb unser kleiner Regenwurm nicht das werden konnte was er sich schon immer wünschte zu sein. Nämlich Stewardess. Du hast richtig gehört. Stewardess wollte unser kleiner Regenwurm werden, bei der Regenwurm-Airlines. Das scheiterte nur an den schon erwähnten paar Zentimetern, die ihm fehlten. Zuerst war er sehr traurig, weil er sich das Fliegen als das Höchste und Schönste im Leben eines Regenwurms vorstellte. Im Gegensatz zu denen die immer nur in der Erde herumkriechen und nur einen dummen Gedanken im Kopf hatten, nämlich satt zu werden, kam der fliegende Regenwurm überall hin. Heute hier. Morgen dort. Und er hatte Kontakt, sogar ziemlich engen Kontakt zu vielen anderen Regenwürmern. Eng deshalb, weil die Regenwurm-Airlines-Flugzeuge ziemlich klein und eng waren. Regenwurm-Airlines-Stewardessen mussten deshalb sehr schlank sein und groß, damit sie vor dem Start über die Köpfe hinweg die Passagiere zählen konnten.

Das war die Situation als unser kleiner Regenwurm beschloss sich auf den Weg zu machen um das Leben kennen zulernen, das Leben der Erwachsenen. Wenn es schon nichts wurde mit dem Traumberuf bei der Regenwurm-Airlines dann sollte es doch etwas anderes Großes ähnlich Erfüllendes und Sinnvolles sein. Immer nur in der Erde herumkriechen, puh, nein, das war nicht das Richtige für unseren kleinen Regenwurm. Das sollten die machen die nichts Besseres können, oder die, die damit, dass sie es tun, zufrieden sind.

Unseren kleinen Regenwurm zog es in die Ferne. Er verabschiedete sich von den Eltern und von den Freunden. Er kroch und kroch, kroch und kroch ... Er kroch und kroch, kroch und kroch ... Er kroch und kroch, kroch und kroch ..., bis er nicht mehr weiterkonnte, weil das, was er kannte, zu Ende war. Vor ihm lag etwas Seltsames, etwas Glänzendes, Wackelndes, etwas, was er noch nie gesehen hatte. Und es roch nicht nach Erde. Vorsichtig tauchte er einen Zentimeter seines schlanken Regenwurmkörpers hinein in das, was glänzte und wackelte. (...)

Die ungeheuerliche Geschichte vom ungeheuer ungeheuerlichen Ungeheuer

Sie sind schon seit langem nicht mehr gefragt. Früher, ja, da waren sie bekannt. In jedem Märchenbuch, in alten Sagen und Heldengeschichten wirkten sie mit. Da gab es bedeutende unter ihnen. Ungeheuer die so schrecklich waren, dass ganze Völker vor ihnen zitterten. Sie hatten auch wichtige Aufgaben, damals. Sie bewachten Schätze. Aber wo gibt es heute noch Schätze? Sie bewachten Eingänge zu Unterwelten. Aber wo gibt es heute noch Unterwelten? Die wundersamsten Berichte gab es über sie. Aber wo gibt es heute noch Wunder? Manche Berichte waren freilich übertrieben, besonders was ihre Schrecklichkeit anbelangte. In Wirklichkeit waren Ungeheuer nämlich gar nicht schrecklich. Aber weil früher für diese Geschichten schreckliche Ungeheuer gebraucht wurden spielten sie diese Rolle. Der Nahrungsbedarf eines Ungeheuers ist groß. Da kam so ein kleiner Nebenverdienst oftmals gerade recht.

Übrigens, wenn du glaubst Ungeheuer würden hauptsächlich Menschen fressen, dann täuschst du dich. Ungeheuer fressen niemals Menschen. Sie tun nur so in den Geschichten, in den Märchen, in den Sagen, damit sie schrecklich wirken. Das erwartet man von ihnen. Das gehört zu ihrer Rolle. Heute ist das ganz anders. Heute gibt es ja keine Märchen und keine Sagen mehr. Wer braucht da noch Ungeheuer? Die Menschen von heute lesen ja auch keine Bücher mehr mit Geschichten über Helden, über Schätze und verwunschene Prinzen. Es gibt keine richtigen Helden mehr und keine richtigen Prinzen. Erst recht keine verwunschenen. So ist das. Doch Ungeheuer gibt es immer noch. Das weiß nur niemand, außer mir. Komm mit in den Zauberwald. Ja, du hast richtig gelesen. In den Zauberwald. Dort leben die Ungeheuer. Ich zeige sie dir. Hab keine Angst. Sie fressen wirklich keine Menschen.

"Tinosarius was ist los mit dir? Du träumst wohl wieder. Auf auf, Kopf hoch. Oder bist du schon eingeschlafen? Wie viele Zähne hat ein Ungeheuer?"

"Was? Zähne? Eh, eh ... 64, nein 92, nein 136, nein ..."

"Genug. Ich sehe, du hast dich wieder überhaupt nicht vorbereitet. Was treibst du eigentlich den lieben langen Tag? Das wird mit dir noch ein schlimmes Ende nehmen. Du wirst nie ein richtiges Ungeheuer. Schäm dich. Stell dich in die Ecke und zähle still bis 296. So viele Zähne haben wir Ungeheuer. Aber zehnmal zählen. Zehnmal. Hast du gehört? Auf, in die Ecke!" Da stand er nun, klein und jämmerlich. Gar nicht wie ein Ungeheuer. Die Mitschüler lachten schadenfroh. Und er zählte, leise, zehnmal bis 296. Nicht wirklich zehnmal. Nach dem achten Mal, bei 134, läutete die Pausenglocke. (...)

Zwischen mächtigen uralten Bäumen, versteckt hinter Dornengestrüpp, am Steilhang eines hohen Berges hatte er sein Zuhause, seine Höhle entdeckt. Dort wohnte er schon elf Monate und sechzehneinhalb Tage. Das war die richtige Behausung für ein schreckliches Ungeheuer. Dunkel und feucht war es in der Höhle. Es gab keinen Tisch, keinen Stuhl, kein Bett, keine Lampe, kein Fernsehgerät, noch nicht einmal ein Radio, keine Heizung ..., nichts. Nur kahle modrige, feuchte Wände und Steine. Viele Steine. Große und kleine. Daraus baute er sich was er brauchte. Das war nicht viel. Einen Schrank für die alten Bücher, nur Märchen und Sagen mit Ungeheuern. Die sammelte er, antiquarisch. Er hatte schon zweiundzwanzig. Ein Kopfkissen. Ja, aus den Steinen baute er sich auch ein Kopfkissen. Woraus sonst? Warum? Auch Ungeheuer brauchen Kopfkissen. Wusstest du das nicht? Natürlich brauchen Ungeheuer Kopfkissen. Ganz besonders Tinosarius. Zum Träumen, wozu sonst?

Jeden Abend wenn die Sonne unterging, über den Berggipfeln der anderen Talseite, lag Tinosarius in seiner Höhle, den Kopf gemütlich im Steinkissen vergraben und schaute nach draußen. Der Zauberwald sah im rötlichen Licht der Abendsonne aus wie ein Märchenwald. Oder wie ein Sagenwald. War da überhaupt ein Unterschied? Er wusste es nicht. So genau kannte Tinosarius sich noch nicht aus in diesen Dingen. Die Stunde vor Sonnenuntergang war für ihn die schönste des Tages. Er lag da und träumte. Natürlich von großen Aufgaben. Er stellte sich vor, dass in der Höhle hinter ihm der kostbarste Schatz der Welt vergraben sei, und er, Tinosarius, wäre als einziges Ungeheuer in der Lage diesen Schatz zu bewachen. Er stellte sich jeden Abend Helden vor, die an die Höhle treten und rufen: Weiche Ungeheuer! Weiche! Du bist verloren, wenn du mich nicht in die Höhle lässt!

Jeden Abend kämpfte Tinosarius mit mächtigen Kriegern. Manchmal waren es so viele, dass er glaubte seine Schrecklichkeit würde nicht ausreichen, sie zu besiegen. Das waren Abende an denen er vor Erschöpfung einschlief. Doch im Traum kämpfte er weiter. Die ganze Nacht. Das waren sehr anstrengende Nächte. Morgens wachte er dann auf, als hätte er keine Sekunde geschlafen. Alle Ungeheuerglieder taten weh. Er konnte sich kaum rühren. Dann kam er verspätet in die Schule. Dann schlief er im Unterricht ein, so wie heute. (...)

Und an solchen Tagen, wenn er sich über den Lehrer geärgert hatte, wenn er ausgelacht wurde von den Mitschülern, dann war er besonders schrecklich. Dann konnte er nicht warten bis die Helden kamen. Dann tobte er schon am Nachmittag vor der Höhle hin und her, auf und ab. Dann brüllte er ins Tal, so wie ganz schreckliche Ungeheuer brüllen: "Buh, buh, waa, waa, grr, grr ... Kommt nur ihr Helden! Alle! Kommt! Ich werde euch besiegen! Ich bin das schrecklichste, ungeheuerlichste Ungeheuer aller Zeiten! Schaut her wie schrecklich ich bin!"

Dabei tanzte er auf den Ungeheuerhinterbeinen. Sein starker gezackter Ungeheuerschwanz schlug gegen die Felswand. Es dröhnte dumpf und furchterregend durch den Zauberwald. Steine lösten sich, kullerten, kleine Bäume und Büsche mit sich reißend, polternd ins Tal. Die Tiere des Zauberwaldes verkrochen sich, drückten sich Schutz suchend aneinander. Die Vögel des Zauberwaldes schwangen sich in die Luft, drehten laut kreischend Runden. Der Himmel verdunkelte sich. So viele waren es.

Tinosarius spürte seine Macht. Er erschauerte vor seiner eigenen Schrecklichkeit. An solchen Tagen traute sich kein Held zur Höhle. Kein einziger. So waren die Abende an diesen Tagen besonders langweilig und eintönig. Nicht heute. Gerade hatte er sich gemütlich hingesetzt, vor den Eingang der Höhle, ein Buch in die Hand genommen, da hörte er ein Knacken im Gehölz. Ein anhaltendes, näher kommendes Knacken. Wie ungewöhnlich, dachte er. Wer traut sich jetzt noch her zu mir? Ob das ein Held ist? Es knackte, knackte. Tinosarius reckte den langen gezackten Ungeheuerhals mit dem schuppigen Ungeheuerkopf in die Höhe.

Eine Hand griff über den Felsrand. Eine kleine, zierliche Hand. Nun noch eine. Tinosarius war aufgesprungen. Ein Menschenkind mit hellem gelocktem Haar schwang sich nach oben, erhob sich und stand lächelnd da. Tinosarius kannte solche Geschöpfe aus den Büchern. Doch die schienen ihm größer und gefährlicher. Der Held vor ihm hatte auch keine Waffe. Und wieso rief er nicht Ungeheuer weiche? Das musste er doch rufen. Tinosarius hielt das Märchenbuch schützend vor seinen großen Ungeheuerbauch. Der Held stand da und lächelte. Wieso hatte der keine Angst? Tinosarius rückte hin und her, her und hin. Buh, buh, drang es etwas verlegen aus seinem Innern. Noch einmal, etwas forscher: Buh, buh, waa, waa. Der Held war immer noch unbeeindruckt. Er hatte sich sogar gemütlich auf einen Baumstumpf am Felsrand gesetzt. Er lächelte.

"Buh, buh, waa, waa, grr, grr ..." Tinosarius war so schrecklich, wie er es nur sein konnte. Das Buch hatte er zur Seite gelegt. Hoch aufgerichtet stand er da. Die Ungeheuervorderbeine mit den langen Ungeheuerkrallen gruben tiefe Furchen in die Luft. "Buh, buh, waa, waa, grrr, grrrrrr ..." dröhnte es schauerlich durch das Tal. "Buh, buh, waa, waa, grrr, grrrrrrrr ..." Er schlug mit dem gezackten Ungeheuerschwanz so stark gegen die Felswand, dass große Steinbrocken hinter ihm herunter brachen. Es waren so viele, dass er erschrak, als er sich einmal umschaute. Der Eingang zur Höhle war nicht mehr zu sehen. "Bu, bu", kam es noch einige Male, aber leiser. Und "wa, wa" noch leiser. "Gr, gr, gr" ganz leise. Verlegen stand er da, schaute zu dem Helden hin. "Buhh" drang es noch ein letztes Mal aus seinem Innern. Tinosarius war verzweifelt. Jahrelang hatte er sich vorbereitet. Und nun der erste wirkliche Held vor seiner Höhle und dann so einer.

Der Held erhob sich, kam lächelnd näher, eine Hand nach vorn gestreckt. Tinosarius presste sich gegen den Fels. "Hallo, wie heißt du?"

"Wer? Ich?" Tinosarius schaute sich verlegen um. Aber da war niemand außer ihm, der gemeint sein konnte. "Ich? Ich heiße ... Ich heiße ... Tino heiße ich. Nein, Tinosarius."

"So, Tinosarius. Interessanter Name. Ich bin Thomas. Ich wohne drüben auf der anderen Seite. Es war schön dir zuzusehen bei deiner Schau. Ich habe dich gehört, unten im Tal. Das war mächtig laut. Und gut. Ich bin heraufgestiegen um zu sehen wer da so toll singt. Aber dass du auch so toll tanzen kannst, das hätte ich nicht gedacht. Spitze machst du das. Besonders der Steintrick ist gut, der mit dem Schwanz."

"Steintrick? Tanzen? Singen? Wovon sprichst du? Wer singt? Wer tanzt?"

"Du natürlich. Wer sonst? Sei nicht so bescheiden, Mann. Das ist super. Glaub mir, ich kann das beurteilen. Das musst du lange geübt haben. Das sieht unheimlich gut aus. Besonders wenn du den Mund weit öffnest, die Zunge rausstreckst und den dunklen Dampf raus lässt, aus der Nase. Toll sieht das aus. Spitze. Wirklich."

"Die Zunge rausstreckst? Den Dampf raus lässt? Wovon sprichst du?"

"Von dir. Von deiner Schau, Mann. Du bist Klasse. Weltklasse!"

"Ich bin Klasse? Weltklasse? Ja, das glaube ich auch."

"Na also. Sag ich ja. Komm, lass uns Freunde sein." Und wieder streckte sich Tinosarius die schlanke Hand entgegen. Der saß da, mit dem Ungeheuerrücken an die Felswand gedrückt und starrte den blondschöpfigen Winzling an.

"Komm, lass uns Freunde sein, Tinosarius." Der Held war ganz dicht herangetreten. Die Locken reichten bis zum Ungeheuerbauchnabel.

Da, plötzlich geschah etwas Ungeheuerliches. Tinosarius zuckte zusammen. Ungeheuerlich! Plötzlich lag die schlanke Hand des Jünglings auf dem rechten Ungeheuerknie. Ungeheuerlich!! Nun streichelte die schlanke Hand sogar das Ungeheuerknie. Ungeheuer ungeheuerlich durchfuhr es Tinosarius. Er empfand ein seltsames Gefühl. Aber irgendwie war es auch schön. (...)

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