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BENNI oder Aber morgen mache ich alles anders, ganz anders

Eine schauspielerische Herausforderung für einen Darsteller. Spielzeit ca. 60 Minuten.
eBook, ca. 34 Seiten, 7,99 EURO

Es ist der Lebensbogen eines liebenswerten Zeitgenossen, in 12 Bildern. Benni kämpft gegen das, was ihn niedermachen möchte, gegen das, was ihm Fesseln anlegt.

BENNI ist ein Synonym für das Mitgerissenwerden im Strom der Abhängigkeiten, für das Strampeln und Kämpfen um an der Oberfläche zu bleiben. BENNI ist eine Patchwork-Persönlichkeit, zusammengesetzt aus unzähligen Flicken, aus Beobachtungen und Erfahrungen. Jeder entdeckt sich zu einem Teil im BENNI. Jeder kennt andere BENNIS. Es ist ein Buch für die, die es besser machen wollen und können, aber auch für die, die darüber nachdenken, wie es denn eigentlich war. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind natürlich gewollt. Und wenn nicht vorhanden, rein zufällig.

Es sind nur wenige Requisiten erforderlich. Im ersten Bild betritt der Darsteller als Kleinkind die Bühne. Im 12., dem letzten Bild, stirbt er, einen Tag vor seinem 85. Geburtstag, auf der Parkbank, umgeben von seinen Freunden, den Eichhörnchen. Während des Stückes wechselt er, bei reduziertem Bühnenlicht, während er weiter spricht, für das Publikum sichtbar, entsprechend der jeweiligen Altersstufe die Kleidung, sein Aussehen und das, was er in den Händen hält. Die jeweils neue Kleidung entnimmt er einem Koffer. Andere Teile, die im Stück erwähnt werden, entnimmt er weiteren Koffern. Was nicht mehr benötigt wird wirft er hinter sich auf die Bühne, oder in die geöffneten Koffer zurück.

AUS DEM INHALT

1. Bild: Benni, etwa zwei Jahre alt, in Strampelhose, mit Teddy und Ball. Die Stofffüße vorn zu lang, die Haare wirr. Es wird hell auf der Bühne.

Gibt es überhaupt etwas, was man darf? Alles verbieten die. Warum eigentlich? Nur weil sie größer sind. Nicht am Tischtuch festhalten! Warum nicht? Was passiert denn schon? Gilla nicht an den Haaren ziehen! Sie schreit doch so schön. Das mache ich immer wieder! Gilla ist nicht lieb zu mir. Muschi nicht am Schwanz packen! Warum nicht? Ist doch lustig, wenn sie miau macht und weg springt. Und an meinem Ball lecke ich so lange ich will. Weil es mein Ball ist. Er schmeckt gut, mein Ball. Viel besser als Gillas blöde Puppe.

Ich werde auch mein ganzes Leben lang Sand essen! Immer wieder! Sand schmeckt gut. Ich esse Sand, soviel ich will. Dann werde ich größer und stärker als alle anderen. Und wenn Gilla mich noch einmal auslacht, beim Essen, dann steche ich sie wieder mit der Gabel. Immer wieder mache ich das, immer wieder! Und Kali haue ich mit der Schaufel, auch wenn er ganz laut schreit. Jedes Mal mache ich das, wenn er meinen Kuchen kaputtmacht. Jedesmal! Nichts darf ich! Nicht mit seinem Eimer spielen, nicht mit seiner Burg! Nicht spucken. Nicht mit Sand werfen. Ich werfe mit Sand, so lange ich will. Mein ganzes Leben lang!!

Ich soll Gilla nicht kratzen. Wenn sie mich doch pitscht? Das sehen die aber nicht. Und wie Gilla dann heult. Als wenn ich was Schlimmes gemacht hätte. Blöde Kuh. Und weshalb soll ich nicht in Opas Nase bohren? Keiner hat eine so schöne große Nase. Und die Löcher sind doch zum Bohren da. Macht Papi ja auch. Opa hat ja gar nichts dagegen. Also. Ich bohre in Opas Nase, so lange es mir und Opa Spaß macht. Und in meiner Nase bohre ich auch! So lange ich will. Und was ich darin finde stecke ich in den Mund. Immer wieder mache ich das! Immer wieder! Mein ganzes Leben lang!! Und warum schreit Gilla so laut, wenn ich nachschauen möchte, wie es in ihrem Bauch aussieht? Tut doch gar nicht weh. Mädchen sind blöd. Gilla besonders.

Und an meinem Pipimann drehe ich so lange ich will. Der bricht nicht ab. Wozu hat man denn einen Pipimann? Und ziehen werde ich daran so lange ich will. Bis er so groß ist wie der von Vati. Der hat das bestimmt auch so gemacht. Nur bei mir, dem kleinen Benni, heißt es immer: Du sollst nicht, du darfst nicht, wie oft soll ich dir das noch sagen? Du wirst nie ein großer Junge. Und ob ich groß werde. Größer als alle anderen. Die werden noch staunen. Und stärker werde ich. Dann verhaue ich alle! Alle!!

Immer wieder werde ich im Stehen Pipi machen, wie Vati. Der braucht auch keinen Topf. Ich mache Pipi im Stehen, mein ganzes Leben lang! Sollen die sich doch auf den blöden Topf setzen. Benni ist ein Mann! Und so lange ich noch zu klein bin für die Toilette, mache ich in die Hose. Die können sagen was sie wollen. Ist doch schön warm und weich. Ich mache in die Hose so lange ich will. Mein ganzes Leben lang mache ich in die Hose! Mein ganzes Leben lang!!

Und was die immer reden. Warum soll ich beim Essen nicht singen? Ist besser als heulen. Wenn es mir doch gut schmeckt. Mami sollte sich freuen. Sie singt auch, wenn sie gut gelaunt ist. Können doch froh sein, dass ich oft gut gelaunt bin. Ich soll nicht spucken beim Spinat. Wie soll man Spinat essen ohne zu spucken? Selbst schuld wenn sie Spinat kocht. Im ganzen Leben spucke ich bei Spinat! Im ganzen Leben! Immer wieder! Immer wieder! (...)

2. Bild: Benni, etwa drei Jahre alt, in kurzer Hose, mit gekreuzten Hosenträgern, in Ringelsocken. Er sitzt auf dem Boden, spielt mit einem Holzbaukasten. Es wird hell auf der Bühne.

Warum? Warum eigentlich? Warum darf Gilla alles und ich nichts? Warum darf sie das Fernsehgerät anschalten und ich nicht? Warum soll ich nicht am Radio spielen? Ich spiele nicht daran. Ich mache Musik, wie Vati. Ich kann das!! Bin schon groß!!! Ich kann sogar schon Platten auflegen. Gilla hat es mir gezeigt. Warum schimpft Vati wenn ich das tue? Ich soll meine Kassetten hören. Soll er doch. Ich kenne alle auswendig.

In manchen Sachen haben die Großen ja Recht. Mammi sagt immer ich soll nicht mit dem Feuer spielen. Das hat furchtbar wehgetan, als ich versucht habe die Kerze anzuzünden. Das mache ich nie mehr! Natürlich hatte Vati Recht. Du sollst nicht immer in die Luft schauen, hat er oft gesagt. Puh, hat das wehgetan, als ich über den großen Stein gestolpert bin. Ich werde nie mehr in die Luft schauen! Natürlich werde ich auch nicht mehr barfuß laufen, am Strand. Nie mehr! Ganz schlimm geblutet hat das, als ich in die spitze Muschel getreten bin. Auch mit den Wespen hatten sie Recht. Nie mehr werde ich nach einer Wespe schlagen. Nie mehr! Nie mehr!!

Aber Gilla Sand in die Hose schaufeln, in Pfützen Kapitän spielen, schreien, wenn ich Hunger habe, Kali und die anderen Jungs verhauen, in meinem Bauchnabel nach Schätzen suchen. Das mache ich immer wieder. Immer wieder! Ganz gleich, was sie sagen. Mein ganzes Leben lang! Ich sehe ja ein, dass es dumm von mir war Gilla in die Hand zu beißen. Wir waren mit ihr beim Onkel Doktor. Der hat mit mir geschimpft. Aber wie sie sich aufgeregt haben als ich mir an Omis Bluse die Nase abgeputzt habe. Dabei war die sowieso schmutzig, die Bluse. Das habe ich genau gesehen. Ich werde Omi auch weiter in die Backe kneifen. Sie schimpft doch gar nicht richtig.

Mit Santor, das muss ich mir noch überlegen. Wahrscheinlich werde ich nicht mehr auf ihm reiten. Wie der nach mir geschnappt hat, der blöde Hund. Wahrscheinlich werde ich keine Süßigkeiten mehr naschen. Ich möchte wirklich keine gelben Zähne bekommen, wie das Kind auf dem Bild. Und ich werde nicht mehr alleine über die Straße gehen. Das ist klar. Kali ist beinahe totgefahren worden, neulich. Aber am Messer lecken kann ich. Ich pass schon auf. Leck ja nicht, wo es scharf ist. Na gut. Ich gebe zu, dass man mich schlecht verstehen kann, wenn ich mit vollem Mund spreche. Aber wenn ich warte bis er leer ist weiß ich nicht mehr was ich sagen wollte. Ich werde üben mit vollem Mund zu sprechen, bis man mich gut verstehen kann. Ich spreche mit vollem Mund, so lange ich will. Immer wieder! Immer wieder! Mein ganzes Leben lang!! Omi spricht auch mit vollem Mund. Ich kann sie gut verstehen.

Sitz gerade! Die Ellenbogen vom Tisch! Beuge dich nicht nach vorne beim Suppeessen! Schlürfe nicht! Schmatze nicht! Putz dir den Mund nicht am Tischtuch ab! Wie oft soll ich dir noch sagen, du sollst nicht von Gillas Teller essen. Ich kann das alles nicht mehr hören. Und warum soll ich mir die Hände waschen, wenn ich nicht mit den Händen essen darf? Es geht doch viel schneller. Außer bei Suppe natürlich. Das sehe ich ein. Ich werde bei Suppe anfangs immer blasen. Da haben sie Recht. Ich hab mir schon ganz schlimm die Zunge verbrannt.

Heute verstehe ich wieso Mami sich nicht über die schönen Blumen gefreut hat, die ich ihr geschenkt habe. Ja, sie hat Recht. Ich pflücke keine Blumen mehr, im Wohnzimmer. Und ohne Hose öffne ich nicht mehr die Haustür. Sieht wahrscheinlich wirklich blöd aus. Ich bin ja jetzt groß. (...) Und warum soll ich Mami nicht beim Kochen helfen, wenn sie telefoniert? Warum freut sich Vati nicht wenn ich schöne Bilder in seine Bücher male? Die sagen doch immer: "Benni, unser kleiner Künstler ist ja so begabt." Und die Badewanne trinke ich aus so lange ich will. Wenn ich groß bin schaffe ich das! Die werden schon sehen was der Benni alles kann. Alles! Alles!! Alles!!!

3. Bild: Benni, etwa fünf Jahre alt, mit bunt bedrucktem T-Shirt und langer Hose, auf dem Boden sitzend. Auf den Knien ein aufgeschlagenes großes Bilderbuch. Es wird hell auf der Bühne.

Natürlich putze ich mir jeden Abend die Zähne. Das brauchen die mir nicht mehr zu sagen. Ich putze mir morgens, mittags, abends, den ganzen Tag über putze ich mir die Zähne. Ich weiß wie wichtig das ist. Klar ist Schuhcreme nur für die Schuhe und nicht für die Haare. Das weiß ich auch. Sah wirklich nicht gut aus. Hab’s ausprobiert. Ich werde nicht mehr freihändig Rädchen fahren. Aber wenn ich plötzlich niesen muss, da kann ich doch nichts für. Wo soll ich da so schnell ein Taschentuch hernehmen? Ich kann doch nicht immer mit einem Taschentuch in der Hand rumlaufen. Kali würde mich schön auslachen. Außerdem brauche ich die Hände, um ihn zu verhauen.

Ich werde immer wieder mein Frühstücksei an Gillas Kopf aufschlagen, wenn Mami nicht dabei ist. Das hört sich toll an. Und wie Gilla dann schreit, ganz toll. Und die können machen was sie wollen. Ich finde Vatis Weinflasche. Ich trinke Wein so lange ich will. Mein ganzes Leben lang trinke ich Wein! Wein schmeckt gut. Benni ist groß! Das müssten die doch langsam wissen. Bald werde ich sechs. Dann gehe ich in die Schule. Dann lerne ich  alles. Dann weiß ich alles. Dann kann ich alles! Alles!! Dann haben die mir nichts mehr zu sagen. Nichts!! Gar nichts!!!

Mein Freund Kali ist schon in der Schule. Der kann bis Vielion zählen. Eine ganze Stunde dauert das. So viel ist Vielion. Kali hat gesagt, in unserem Sandkasten sind viele Vielionen Sandkörner. Die werde ich alle zählen, wenn ich in der Schule bin. Alle! Bis zehn kann ich schon. Ohne Finger. Und alle Farben kenne ich. Wirklich. Alle. Onkel Klaus wollte das nicht glauben. Und alle Automarken, alle Motorräder, alle Flugzeuge, alle Raketen, alle ... Ich weiß schon unheimlich viel. Beinahe alles! Natürlich gehe ich nur bei Grün über die Straße. Natürlich sage ich "guten Tag" beim Kaufmann. Natürlich putze ich mir die Füße ab, wenn ich nach Hause komme. Die brauchen mir das nicht mehr zu sagen! Ich weiß, dass man sich nicht länger als fünf Minuten duscht. Ich kenne die Uhr. Hab sie immer dabei im Bad. Natürlich putze ich mir nicht beim Duschen die Zähne. Ich weiß, dass es unnützer Wasserverbrauch ist. Ich weiß ... Ich weiß ... Ich weiß alles. Alles! Alles!! (...)

7. Bild: Benni, etwa 35 Jahre alt, mit langer Badehose, T-Shirt, bepackt mit Akten und Zeitschrifte. Es wird hell auf der Bühne.

Toller Tag heute, was? Bin gleich fertig. Nur noch das hier. Akten und Fachliteratur. Ohne geht’s nicht. Auch nicht im Urlaub. Hier kann ich aufarbeiten was ich zu Hause nicht schaffe. Hab' ja jetzt Familie, Verantwortung. Und keinen Allerweltsjob! Das können Sie mir glauben. Engagement ist alles, sage ich meinen Kollegen immer. Gerade bei uns im Amt muss alles stimmen. Wenn es bei uns nicht stimmt, wo dann?

Ich muss mich beeilen, schon nach fünf. Gleich kommen Hanne und Robbi. Robbi ist ein guter Junge. Er macht uns Freude. Kein Wunder. Er hat viel von mir gelernt. Was der heute mit seinen fünf Jahren alles weiß. Erstaunlich. Robbi ist sehr begabt. Er ist wie ich. Er wird anders erzogen als die meisten Kinder. Ganz anders. Hanne ist Lehrerin. Wir leben auch anders als die meisten. Ganz anders. Wirklich. Hanne hat viel Zeit für den Jungen. Sie liest ihm jeden Abend Geschichten vor, bis er einschläft.

Ich kümmere mich um das Wesentliche. Den Urlaub habe ich schon vor einem Jahr geplant. Hab’ viel gelesen über diese Küste, über den Ort. Ist was für Kenner. Ein Geheimtipp. Wirklich. Jeden Morgen reinigen die den Strand, schon ganz früh und gründlich. Keine Steine. Keine Muscheln. Robbi kann hier barfuß laufen. Und an jedem Strandkorb hängt eine Abfalltüte. Das ist Organisation. Toll was? Jeder hat genau 10,5 Quadratmeter. Das ist viel. Wo gibt es das noch? Wir haben das Doppelte. Ich hab’ zwei Strandkörbe gemietet. Der Junge soll sich frei bewegen können, im Urlaub. Da bin ich großzügig. Außerdem brauch’ ich Platz für meine Akten und Zeitschriften. (...)

8. Bild: Benni, etwa 45 Jahre alt, sitzt auf einer bemalten Apfelsinenkiste. Neben ihm ein kleiner künstlicher Tannenbaum. Es wird hell auf der Bühne.

Frohe Weihnachten! Puh, ist das kalt hier. Ich muss die Heizung höher drehen. Ein Bäumchen aus meinem Garten. Ist es nicht schön? Es ist der schönste Weihnachtsbaum den ich je hatte. Wirklich. Na ja, mit dem Schmuck, das musste ich improvisieren. Hanne hat ja alles mitgenommen. Aber ich finde ihn toll, ganz toll. Wirklich. Hat sich einiges verändert hier. Ja, richtig gemütlich hab ich es jetzt. Alles selbst gemacht. Glaubt man kaum, nicht wahr? Und ganz preiswert. Wirklich. (...) Benni ist ja so begabt. Benni ist ein Künstler. Das haben die Eltern oft gesagt. Sie hatten Recht. Ich hätte auf sie hören sollen. Hätte Kunst studieren sollen. Wäre bestimmt heute schon Kunstprofessor oder so was, bei meinem Talent. Das Bild ist auch von mir. Wirklich. Wirklich! Ganz tolle Stimmung, nicht wahr? Ein richtiges Kunstwerk. Es ist der Blick aus meinem Fenster. Die tiefe Abendsonne. Ich bin sicher, nirgends ist sie schöner, die Abendsonne.
 
Ich glaube ich habe mich sehr verändert. Habe viel Federn lassen müssen. Hab’ aber auch unheimlich viel gelernt dabei. Mein Gott, war ich dumm. Aber das mach ich jetzt alles anders. Ganz anders. Ich habe viel über mich nachgedacht. Hab’ ja jetzt Zeit dafür. Alles hat sie mitgenommen, alles. Na ja, war sowieso nicht mein Stil. Nichts war übriggeblieben von mir. Alles hatte sie verändert. Das war keine Wohnung. Ein Museum war das. Ein Museum! Jawohl. Ein richtiges Museum war das!! Und teuer. Sehr teuer. In jeder Beziehung!!
 
Aber jetzt kann ich wieder atmen. Jetzt ist das wieder eine Wohnung. Jawohl. Meine Wohnung! Soll sie doch mit ihm tanzen, dem blöden Tanzmeister. Soll sie doch mit ihren blöden Freundinnen Doppelkopf spielen, so lange sie will. So lange sie will. Ihr ganzes Leben lang!! Soll sie doch!!! Soll Sie doch!!! Tanzen, Doppelkopf spielen ...
(...)

10. Bild: Benni, etwa 65 Jahre alt, graue Haare, mit bunt bedrucktem Kurzarm-Sommerhemd und Bermudashorts. Es wird hell auf der Bühne.

„Ja Pinuschka, ja, ich schau dir zu. Schwimm nur. Wirklich toll. Ganz toll machst du das.“ Sie heißt Pinuschka. Sie ist von hier. Ungarin. Ein Rasseweib. Wirklich. So was wie Pinuschka gibt es nur einmal. Ein richtiges Naturkind. Wirklich. Wirklich! „Ja, Pinuschka, ich schau dir zu. Nein, ich spreche mit niemandem. Toll machst du das. Ganz toll.“ Ungarn ist ein phantastisches Land. Das können Sie mir glauben. Ich kenne mich aus. Bin viel gereist in den letzten Jahren. Habe die schönsten Länder der Welt gesehen. Wirklich. Aber die schönsten Frauen die gibt’s in Ungarn. „Ja, Pinuschka. Ich bestelle dir ein Eis. Ja, ein großes. Ich weiß welches du gerne magst. Schwimm nur weiter.“

Pinuschka ist eine Göttin. Ihre Mutter war Tänzerin, der Vater Zigeunergeiger. Das hat sie voll drin im Blut. Und die herrlichen großen, runden ...  „Ja, schwimm nur, schwimm nur.“ An Pinuschka ist alles richtig. Alles was wir Männer mögen. Alles. Die herrlichen großen runden Augen hat sie von der Mutter und das Temperament. Eine Frau mit ihrem Temperament findest du nicht in Deutschland. Ich bin schon zum fünften Mal in Ungarn. Werde mir hier ein kleines Haus kaufen, direkt am See, für Pinuschka und für mich. Ich habe sie vor zwei Jahren kennen gelernt. Es war Liebe auf den ersten Blick. Hätte nie gedacht, dass es so etwas gibt. Mit ihr ist alles anders, ganz anders.

„Ja Pinuschka, du siehst gut aus. Wirklich, du bist meine Prinzessin. Schwimm nur. Nein, mir ist nicht langweilig. Nein, wirklich nicht. Natürlich. Natürlich freue ich mich auf dich.“ Sehr anhänglich sind sie, die Ungarinnen. Aber das ist es ja was wir Männer mögen. „Herr Ober, bitte ein großes Florida-Mix mit Früchten Phantasia. Sie wissen schon, das, was die Dame so sehr mag. Ja. Ja. Und mir noch einen Scotch.“ (...)

Das einzig Unangenehme hier sind die Touristen. Besonders die Deutschen. Mein Gott sind die kleinkariert. Man kann ihnen nicht zuhören. Die haben keine Lebensart, machen sich um jeden Furz Gedanken. Typisch deutsch. Sind dauernd am Planen, am Einteilen, am Rechnen. Und die jungen Leute, wie die mit ihren Kindern umgehen. Die Mütter ganz besonders. Mach das. Jetzt das. Das macht man so und nicht anders. Du bist für alles zu dumm. Du wirst nie groß. Du wirst nie ein richtiger Mann. Die armen Kinder. Und wenn die Männer unter sich sind reden sie nur von ihrem Job. Arme Menschen. Armes Deutschland. Was soll aus den Kindern werden, wenn die Eltern schon so sind?

„Ja, Pinuschka, mein Vögelchen, ich hab’ dein Eis bestellt. Ja, das was du so gerne magst, mit den Früchten. Ich rufe dich wenn es da ist. Natürlich liebe ich mein Vögelchen. Natürlich bin ich dein Katerchen.“ (...) „Nein Pinuschka, es ist nichts. Nein, wirklich. Mir geht es gut. Nein, nein, ich sitz’ doch im Schatten. Schwimm nur. Dein Eis kommt gleich.“ Lieb ist sie und so besorgt um mich. Das findest du nicht in Deutschland. „Komm, ich trockne dich ab, mein Vögelchen, mein wunderschönes Vögelchen.“ Oh, die Beine. Oh, ich hab zu lange gesessen. Oh ... „Ja, ich komme mein Vögelchen. Ich komme ...“

11. Bild: Benni, an seinem 75. Geburtstag, weiße zottelige Haare, auf dem Stuhl sitzend, in eine Decke eingewickelt. Es wird hell auf der Bühne.

Was soll ich nicht? Häh? Ich hör’ wohl schlecht. Wer hat in der Nase gebohrt? Häh? Ich soll nicht in der Nase bohren? Natürlich bohre ich in der Nase. Ich bohre in der Nase so lange ich will. So lange ich will. Ist doch meine Nase. Und das schmiere ich wohin ich will. Ist doch meine Decke. Häh? Was ist? Ich soll mich benehmen, an meinem Geburtstag? Natürlich benehme ich mich. Aber so, wie ich es will. Ist doch mein Geburtstag! Ich bin alt genug, kann machen was ich will!! Häh? Ich weiß, was sich gehört. Das braucht mir niemand mehr zu sagen!! Niemand!!!

Typisch Altersheim. Nur alte Leute hier. Die wissen alles besser. Was wissen die schon? Nichts! Gar nichts!! Gar nichts wissen die!! Benni ist groß!!! Häh? Was ist? Natürlich weiß ich wie ich heiße. So was Dummes. Häh? Wer heißt hier Benjamin? Natürlich, ich heiße Benjamin. Das weiß ich! Nur dumme alte Leute um mich herum. Typisch Altersheim. Das ist mein Geburtstag! Mein 75. Geburtstag!! Da kann ich machen was ich will, was ich will, was ich will, was ich will.

Das wird eine tolle Geburtstagsparty, hat Schwester Josephin gestern gesagt. Was ist hier toll? Häh? Was? Nur alte Meckerziegen und Tattergreise sehe ich. Meck, meck, meck. Mäh, mäh, mäh. Ist das etwa toll? Häh? Ich soll nicht schreien? Das ist meine Party. Meine! Meine!! Da schreie ich so lange ich will. So lange ich will! Mein ganzes Leben lang schreie ich! Mein ganzes Leben lang. Und wie. Ihr werdet noch staunen, wie laut Benni schreien kann. Keiner von euch kann so laut schreien. Keiner! Keiner!! Keiner!!!  Keiner!!!! Keiner. Keiner. Kei... Tz ..., tz...,  tz....

Was ist? Wie? Wer schläft? Wer schnarcht? Niemand schläft! Niemand schnarcht! Auf meiner Party hat niemand zu schlafen, hat niemand zu schnarchen! Niemand!! Niemand!!! Überhaupt, ich hab’ genug von euch Tattergreisen und Meckerziegen. Benni ist nicht alt. Benni ist jung. Ihr werdet schon sehen, was Benni alles kann. Ich will tanzen. Musik! Gibt es denn keine Musik auf dieser Party? Scheißparty! Das ist keine Party. Das ist eine Trauerfeier! Aber nicht meine!! Ich hab’ Geburtstag heute. Ihr seid eingeladen! Trinkt, tanzt, singt. Wo, wo ist der Wein? Wer hat meinen Wein? Er hat eben noch hier gestanden. Mein Wein!! Das ist mein Geburtstagswein!!! Schwester Josephin!! Schwester Josephin!! Doktor Windermann!! Doktor Windermann! Doktor ... Mein Wein! Mein Wein! Mein schöner Geburtstagswein.

Da ist er ja. Wer hat ihn wieder hergestellt? Wer?! Wer?! Wer hat daraus getrunken?! Wer?! Wer?! Ihr Halunken! Ihr Diebe!! Mein schöner Geburtstagswein. Die Flasche war noch fast voll. Das hat man davon, wenn man Gäste einlädt. Hätte alleine feiern sollen oder nur mit Schwester Josephin. Wo ist sie denn eigentlich? Sie wollte doch kommen. Lässt mich allein mit den alten Leuten. Grässliche alte Leute. Und wie die mich anglotzen, wie Fische glotzen die. Noch nie einen 75-jährigen gesehen der Wein trinkt? Häh? Was? Ich soll nicht soviel trinken? Ich trinke soviel ich will! Zehn Flaschen trinke ich heute! Ist mein Geburtstag. Da kann ich soviel trinken wie ich will. Das kann ich mir leisten. Ich trinke jetzt jeden Tag zehn Flaschen. Kann ich mir alles leisten. Alles! Alles!! Alles!!! Ich trinke so lange ich will. Mein ganzes Leben lang. Mein ganzes Leben lang. Mein ganzes ... tz..., tz..., tz...

Oh, schon gleich Abend. Wir haben den Kuchen vergessen. Wo ist der Kuchen? Wer hat meinen Kuchen? Schwester Josephin! Schwester Josephin!! Mein Kuchen! Mein schöner Geburtstagskuchen!! Schwester Josephin! Dr. Windermann! Hört mich denn keiner? Glotzt nicht so blöd, ihr Diebe. Weg hier. Weg hier! Schwester Josephin! Schwester Josephin! Dr. Winder... Dr...

12. Bild: Benni, einen Tag vor seinem 85. Geburtstag. Man sieht ihn nur schwach beleuchtet im Gegenlicht. Er sitzt, in einen Mantel gehüllt, die Hände in den Taschen vergraben, auf einer Bank. Er schläft. Eine große weiße Tüte steht neben ihm. Er wacht auf. Es wird hell auf der Bühne.

Wie spät ist es? Wo ist meine Uhr? Wo ist ...? Da ist sie ja. Schon halb sieben. Oder ist das halb acht? Wo ist meine Brille? Wer hat meine Brille? Wo ist ...? Ich werde sie zu Hause gelassen haben. Oder habe ich sie im Bus verloren? Naja, nicht so wichtig. Wozu brauche ich überhaupt eine? Ich komme auch ohne zurecht. Ich sehe noch gut, viel besser als die alten Leute im Heim. Benjamin braucht keine Brille! Ich sehe alles! Alles! Alles, was ich sehen will. Natürlich kann ich noch mit dem Bus fahren. Warum denn nicht? Natürlich kann ich noch im Stadtpark die Eichhörnchen füttern. Natürlich mögen die meine Kekse. Und wie sie die mögen, meine Freunde. Jawohl, das sind meine Freunde! Ich kenne sie alle sehr gut. Hab‘ ihnen Namen gegeben. Das sind wirkliche Freunde. Das können sie mir glauben. Wirkliche Freunde! Die mögen mich! Das weiß ich. Ich komme jeden Tag her.

Der da. Den meine ich. Den flinken. Den habe ich Benni genannt. Er ist anders als die anderen. Der passt sich nicht an. Der weiß was er will. Komm mal her. Schau mal was ich für dich habe. Ich weiß, dass du das magst. Hab’ ich von Schwester Josephin. Hab’s extra für dich aufgehoben. Hmm, ein sehr gutes Plätzchen ist das. Von Schwester Josephin. Ich nehm’ dich mal mit zu ihr. Na komm. Sei nicht so schüchtern. (...) Die da. Ja die, die kleine zarte. Das ist Ulla. Sie putzt sich so lieb. Möchte immer fein sein. Ein richtiges Mädchen. Sie ist sehr geschickt. Aber auch sehr scheu. Ich muss Geduld mit ihr haben. Komm. Komm her. Hol dir dein Happi. Du weißt doch, dass der Onkel Benni dich lieb hat. Ich glaub’, sie mag mich auch. Manchmal springt sie zu mir auf die Bank.

Die im Heim wissen nichts von meinen Freunden. Brauchen sie auch nicht. Es sind meine Freunde! Die würden die armen Tierchen schön erschrecken. Die meisten kommen ja auch gar nicht mehr raus, aus dem Heim. Essen, trinken, meckern, am Fernsehgerät schlafen, schnarchen. Die werden sich noch wundern, was ich alles kann. Warum sagt Schwester Josephin immer ich solle brav zu Hause bleiben? Die müsste doch wissen, dass ich nicht zu diesen Scheintoten gehöre! Immer wieder werde ich mit dem Bus in den Stadtpark fahren und Eichhörnchen füttern. Immer wieder! Immer wieder! Die freuen sich auf mich, meine Freunde. Die brauchen mich und meine Kekse!

Ich sollte hier bleiben. Ist doch viel schöner und gemütlicher als in dem blöden Heim. Jawohl. Ich bleibe hier bei meinen Freunden. Ich liege gut auf dieser Bank. Wirklich. Sehr gut liege ich. Nein. Die ist nicht hart. Benni ist ein Mann! Ich bin Sportler! Ich liege sehr, sehr gut. Und hier kann ich träumen. Hier stört mich niemand. Vielleicht fahre ich im Sommer wieder zu Pinuschka. Sie wird sich freuen. Vielleicht bleibe ich sogar für immer bei ihr. Pinuschka ist eine Göttin. Und die herrlichen großen ... Pinuschka ich komme. Ich komme. Dein Katerchen ... Oh die Beine. Oh ... Oh ... Aber es sind wirklich nur die Beine. Ich bin aus dem Training. Das ist alles. Ich hab’ zu lange in dem blöden Heim herum gesessen. Ich muss wieder joggen, muss was für den Körper tun. Bewegung ist alles. Alles. Aber es sind wirklich nur die Beine.

War eine schöne Zeit mit Uschi, meiner Muschi. Hmm, konnte die schmusen. Hmm ... Muschi. Meine Muschi. Ich werde sie anrufen. Sie wird sich freuen mich wiederzusehen, ihren Bennimann. Sie ist eine wunderbare Frau. Und so unangepasst wie ich. Und so sportlich wie ich. Oh ... Oh ... Die Beine. Und tanzen mag sie auch nicht, wie ich. Vielleicht sollte ich mich auch mal bei Hanne melden. Sie wird es schon gemerkt haben, dass Tanzen nicht alles ist im Leben. Das war doch kein Mann für sie. Es waren gute Jahre mit ihr und Robbi. Überhaupt, wer sagt denn, dass Benni nicht tanzen kann. Natürlich kann ich tanzen. Und wie Benni tanzen kann! Ganz toll kann ich tanzen!! Ganz ... Oh ... Oh ... Oh ... Aber es sind wirklich nur die Beine. (...)

Morgen, an meinem 85. Geburtstag, tanze ich mit Schwester Josephin. Jawohl, mit Schwester Josephin! Nur mir ihr. Die werden staunen. Ich tanze mit Schwester Josephin. Nur mit ihr. Nur mit ihr. Die ganze Nacht! Jawohl, wir tanzen die ganze Nacht. Oh ... Oh ... Die ganze ... Die ganze ... Es sind wirklich nur ... Wir feiern hier im Park, mit meinen Freunden. Das wird ein Fest. Ein wirkliches Fest. Alle tanzen wir miteinander. Und wir werden speisen, nur vom Besten. Eine lange Tafel werden wir haben, festlich geschmückt, so wie es sich gehört zu einem 85. Geburtstag. Ich bin sicher, Schwester Josephin wird sich gut verstehen mit meinen Freunden. (...)

Vielleicht sollte ich Ulla mal schreiben. Ich habe die Adresse. Es war eine besonders schöne Zeit mit ihr. Eigentlich die schönste. Das war mehr als eine Jugendliebe. Wirklich. Ulla war ganz anders. Ganz ganz anders! Mit ihr ... Und die wunderschönen langen schwarzen Haare. Wie habe ich die geliebt. Und sie war so bescheiden, wie ich. Wir waren ein Traumpaar. Wir ... Ich lade sie zum Radfahren ein, so wie früher. Natürlich kann ich noch Rad fahren. Klar kann ich das! Wieso soll ich nicht Rad fahren können. Ich kann Bus fahren! Ich kann Rad fahren! Alles kann ich. Alles! Alles. Alles. Alles. All... Oh ... Oh ... O ...

Die Schwimmsachen nehmen wir mit, so wie früher. Ich packe ein was wir brauchen. Ich denke an alles. Sie wird staunen. Und dann legen wir uns auf die Wiese und träumen, so wie früher. Wir bleiben liegen bis es dunkel ist. Ich streichle über die wunderschönen langen schwarzen Haare. Sind die schön. Wie sie glänzen. Hast du schöne Haare Ulla. Ist das ein schöner Abend. Es ist unser Abend. Schau, die Sterne strahlen. Sie strahlen nur für uns. Wir gehören zusammen, wir beide. Für immer. Für immer. Die Sterne wissen das. Schau nur wie sie strahlen. Wir beide sind wie sie, ein Teil des großen Universums. Spürst du das? Spürst du das? Schau, der Mond. Wie klar und groß er heute ist. Möchtest du mit mir zum Mond fliegen Ulla? Nur du und ich. Schau wie er lächelt, der Mond.

Er freut sich mit uns. Er ist mein Freund. Mein bester Freund. Wirklich! Und wenn es dir gefällt bleiben wir dort oben. Für immer. Da ist es viel schöner und friedlicher als hier. Komm mit Ulla. Ich baue dir ein Schloss, auf einem wunderschönen Stern. Ja, rück ganz dicht zu mir. So ist es schön. Such dir einen Stern aus. Vielleicht den dort, den hellen, der so geheimnisvoll glitzert? Ich bau dir ein Märchenschloss. Das kann ich. Ein ganz großes, mit hundert Zimmern, mit goldenen Türmen und Springbrunnen. Ein Schloss mit einem weiten grünen Park. Du wirst staunen. Ich kann das! Wirklich. Wirklich. (...) Dort können wir Fahrrad fahren. Solange wir wollen. Nur wir zwei. Du und ich. Für immer. Für immer. Nur du und ich. Oh, ist das schön. Für immer. Für immer. Nur du und ich. Und in dem Park ist ein See. Unser See. Weißt du noch? Wir liegen am Ufer und träumen. Weist du noch? Ich streichle dein Haar. So wie jetzt. Oh, ist das schön. (...) ...

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VIOLA + BO

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DRAUSSEN

BIRDS
oder Die Sache
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Der Souffleur

Der Mann,
der seinen Kopf
zu Besuch
erwartete

Man nehme

Gute Nacht Lisa
oder Die Sache
mit dem Teddy

Ich lebe

Ich liebe

Ich denke

Puppenmacher

Hurra,
heute mauern
wir uns ein