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Der Mann, der seinen Kopf zu Besuch erwartete

Ein grässliches Theaterstück für zwei Darsteller. Spielzeit ca. 90 Minuten.
eBook, ca. 44 Seiten, 7,99 EURO

Es handelt vom Widerstreit der Faktoren Gefühl und Intellekt.
Hier dargestellt durch:
MANN = Körper = Gefühl, KOPF = Intellekt

Es geht um die Auseinandersetzung mit dem Ich, mit dem, was in uns so verschiedene Sprachen spricht, was uns jetzt rücksichtsvoll und gleich egoistisch handeln lässt. Es geht um den Zwiespalt zwischen Anspruch und Sein, um die Differenz und den Machtkampf von Gefühl und Intellekt. Dem in diesem Stück emotional und haltlos dargestellten Körper steht ein von kühler Sachlichkeit und Ehrgeiz geprägter Kopf gegenüber. Eine Trennungssituation wegen unüberbrückbar scheinender Gegensätzlichkeit ist das Thema.

In dem Stück geht es auch um die Austauschbarkeit von Licht- und Schatten, von Ansichten und Erkenntnissen. Die Bühne ist ein Fenster, durch welches sich dem Theaterbesucher je nach Position und Gesichtsfeld, unterschiedliche Ansichten und Einsichten eröffnen. Schauplatz ist ein Zimmer, in dem jener lebt, der eines morgens ohne Kopf erwacht.

Mann-Darsteller: Das Gesicht ist schwarz geschminkt. Ein Spot, ausschließlich auf den Körper gerichtet, folgt ihm während des Geschehens, lässt ihn kopflos erscheinen. Kopf-Darsteller: Er trägt eine weiße Gesichtsmaske, schwarze Kleidung und schwarze Handschuhe. Die noch sichtbaren Hautteile sind schwarz geschminkt. Ein zweiter Spot, ausschließlich auf den Kopf gerichtet, folgt ihm während des Geschehens, lässt ihn körperlos erscheinen.

1. Akt: ERWACHEN / 2. Akt: WARTEN / 3. Akt: VORBEREITUNG / 4. Akt: BESUCH / 5. Akt: DINNER

AUS DEM INHALT:

1. Akt, ERWACHEN

Die Theaterbesucher treten ein, nehmen Platz. Der Vorhang der Bühne ist geöffnet. Das auf der Kommode stehende Fernsehgerät ist angeschaltet. Es ist kein Bild zu sehen, nur Flimmern, unangenehm rauschend der Ton. Ein schwacher Spot beleuchtet eine im Bett auf dem Rücken liegende männliche Gestalt. Der Betrachter sieht nur den Körper, nicht den Kopf. Der Mann schläft. Er trägt altmodische Kleidung, keine Strümpfe, graue weite Hose, breite Hosenträger, Unterhemd mit halblangem Arm. Er stöhnt im Schlaf, wälzt sich herum, schmatzt, murmelt. Die Theaterbesucher vernehmen Textfragmente.

MANN: Lass mich ... Du sollst mich in Ruhe lassen, hörst du? - Das ist meine Sache. - Ohne mich ... Du sollst ... Das geht dich nichts an. - Ich mag sie. - Das ist meine Sache ... meine ... meine ... Ich weiß, was ich will. - Ich ... Du ... Lass mich ...

Fahles Tageslicht dringt durch das halbgeöffnete Fenster, trifft auf die Bettkante und auf den Bettvorleger. Die Vorhänge bewegen sich leicht. Auf dem Boden liegen Kleidungsstücke und Gegenstände verstreut: Jackett, hohe Schnürschuhe, Hemd, Socken, Weste, Flaschen, Aschenbecher, Zigaretten, Gebäckschachtel, leere Tüten von Nüssen und Süßigkeiten. Ein Wecker rasselt schrill, ohne dass er zu sehen ist. Der Mann richtet sich mit einem Ruck auf. Die Zuschauer erkennen nun, dass er keinen Kopf hat. Das Gesicht des Darstellers ist schwarz geschminkt. Der Spot ist auf seinen Körper gerichtet. Der Wecker rasselt ohne Unterlass. Der Mann fällt zurück, kriecht, mit dem nicht sichtbaren Kopf nach unten, aus dem Bett. Der Spot folgt ihm während des gesamten Stücks, nur den Körper, nicht den Kopf beleuchtend. Der Mann fällt in das Chaos vor dem Bett. Er stöhnt, bleibt eine Zeitlang reglos liegen. Der nicht sichtbare Wecker rasselt noch immer. Der Mann tastet mit den Händen. Er hustet, schimpft.

MANN: Was soll der Mist? Wo bin ich? Wo ... (Er kriecht tastend vor dem Bett herum, wirft die Kleidungsstücke zur Seite. Flaschen kullern. Er kriecht unter das Bett. Die Beine schauen heraus. Der Wecker rasselt noch immer.)

MANN: Es ist mitten in der Nacht!! Wo ...? Wer ...? Was ...? (Der Wecker kullert über den Boden, kracht gegen die Wand. - Stille - Der Mann liegt eine Weile reglos. Er kriecht langsam heraus, richtet sich stöhnend, die Arme in den Rücken gepresst, auf. Er fasst mit beiden Händen zum Kopf.)

MANN: Nein!!! (Er schleppt sich zum Spiegel, schaut hinein.)

MANN: Nein!!! (Er weint, klammert sich an den Spiegel.)

MANN: Bitte. Heute nicht. (Er weint. Er hustet.)

MANN: Du weißt, dass wir eine Verabredung haben. - Du weißt, wie wichtig dieser Tag für uns ist. Für uns!! Du weißt es!! Du Egoist. Du Verräter. - Du ... Du ... Das ist wieder eine von deinen verdammten ... Und wenn wir nicht pünktlich sind ... (Er schluchzt, kniet zusammengesunken vor dem Waschbecken. Er würgt. Ihm ist schlecht. Er krallt sich an das Waschbecken, windet sich, hustet, stöhnt. Er kriecht zur Toilette, klappt den Deckel hoch, steckt den nicht sichtbaren Kopf hinein, übergibt sich mehrmals, zieht ab. Lautes Spülgeräusch.)

MANN: Du Schwein ... (Er spuckt. Er hustet.) Warte ... Ich ... (Er spuckt, zieht ab, schleppt sich zurück zum Spiegel. Ein Blick. Er jammert.) Bitte, nicht heute. (Er klammert sich mit beiden Händen an den Spiegel, schluchzt, stöhnt. - Er wirft sich aufs Bett, liegt eine Zeitlang reglos da. Die Hände beginnen zu tasten. Er sucht etwas, wird unruhig. Er wirft Decken und Kissen umher.)

MANN: Gib sie her, du Scheusal. Du weißt genau, dass ich jetzt eine brauche. (Er tastet nach unten, kriecht zum Boden.) Bitte, bitte, sei nett. Wie kannst du nur so hart sein. - Schau, ich leide! - Nur eine Einzige. (Er sitzt im Chaos der Gegenstände neben dem Bett, die Hände tasten.)

MANN: Eine Einzige. Bitte. - Ich habe dir nichts getan! Gib sie her!!! - Ich weiß, Elisabeth ist nicht dein Typ. Ich weiß! - Nicht ernsthaft genug. Nicht deine Ebene. - Zu wenig geistige Beweglichkeit. Oberflächlich. - Ich weiß!! - Ich kenne das alles. Und wie ich das kenne. - Bla, bla, bla. Aber lieb ist sie!! Mir gefällt sie! - Und überhaupt. Du hast sie doch angemacht. Du hast sie angehimmelt. Geschleimt hast du, wie immer. Jawohl!! Du fandest sie toll - anfangs. Du wolltest sie, Scheusal. Ja du!! (Er hat die Zigarettenschachtel gefunden, zieht eine Zigarette heraus, sucht in seinen Hosentaschen nach dem Feuerzeug, findet es.) Danke mein Freund. Auch eine? (Er hält die Packung hoch.) Entschuldige, das war geschmacklos. (Er lehnt mit dem Rücken am Bett, zündet sich die Zigarette an, zieht genüsslich, bläst den Rauch in den Scheinwerferkegel.)

MANN: Ich trinke zuviel. Ich rauche zuviel. Ich ... Wir ... Elisabeth ... Es war nicht dein Abend!! Natürlich nicht! Du hast ja Recht. - Wie immer. (leise) - Aber meiner. Du kamst nicht so recht zum Zug. Ich weiß. Ich kenne dich ja. So bist du immer, wenn ich mich wohlfühle, wenn es mir gut geht. (Er kriecht zum Fernsehgerät, schaltet es aus. Er erhebt sich stöhnend, die Hände in den Rücken gepresst. Er steht auf, geht im Raum auf und ab.)

MANN: Du lehnst sie ab! Du lehnst mich ab!! Du lehnst alles ab, was mich ..., was uns anbelangt. Es gibt kein Uns, leider. Was verbindet uns denn? (Er macht einen tiefen Zug an der Zigarette.)

MANN: Aber was ich empfinde, ich ... ich!! und was sie empfindet, das interessiert dich nicht. - Du Überflieger!! Elisabeth ist eine tolle Frau!! Ich mag sie sehr. Und ich sage dir, dieses Mal ...! Dieses ... Dieses ... (Er bückt sich, tastet suchend vornüber gebeugt. Er kriecht tastend über den Boden, Flaschen kullern.)

MANN: Dieses Mal ...! Ich weiß, was ich will!! Dieses Mal ... setze ich mich durch, Partner. Naturgegebener Partner. Natürlich haben wir uns das nicht so ausgesucht, ... in dieser Konstellation. Wer kann das schon? Leider. (Er findet den Wecker.)

MANN: Gleich halb elf. Wir müssen ... Wo sind die Schuhe? - Du bist schuld ... Du boykottierst diesen Tag, unseren wichtigen Tag! - Wie immer. Ich kenne das ja. - Spiel dich nicht so auf! - Du nimmst dich zu wichtig, mein Lieber! - Es geht ohne dich! Das weiß ich jetzt. (Er tastet nervös über den Boden.)

(...)

MANN: Lass uns Freunde sein. Sei nett. Wir können über alles reden. Wie immer. - Du weißt, wie wichtig dieser Tag für uns ist!!! Wir sind verabredet! Ihre Eltern erwarten uns. Uns!!! Ich brauch dich! So kann ich doch nicht ... Du weißt es, du Terrorist. Ich bin auch ganz nett zu dir. Und nicht nachtragend! Wie immer. - Wir finden einen Weg, einen gemeinsamen, versprochen. - Bitte zeig dich. (Er nimmt den Spiegel herunter, presst den Spiegel an sich, schleppt sich zur Tür, lehnt, den Spiegel im Arm, an der Tür, spricht mit dem Spiegel.)

MANN: Hier geht es um sehr, sehr viel. Hier geht es um ... Hier geht es um ... uns!!! (Er weint, rutscht tiefer, tiefer, sitzt jammernd auf der Erde. Er haucht in den Spiegel.)

MANN: Du hast mein Leben vermurkst, unser Leben. Es ist auch deins, mein Lieber!! - Du bist schuld daran, dass ich mich jeden Tag verleugnen muss, dass ich mich in dieses miese Großraumbüro schleppen muss, dass ich deine kleinkarierten Kollegen ertragen muss. - Du bist schuld daran, dass ich keine wirklichen Freunde habe, Freunde die ich mag. Du bist schuld daran, dass ich nicht schlafen kann, dass ich friere!!! - Du bist schuld daran, wenn ich Elisabeth enttäusche, wenn sie verunsichert ist, wenn ich sie verliere. - Ich bin ein Mensch, verstehst du das? Ein ganz normaler Mensch. Wir sind ... Ich wünsche mir, was Menschen sich wünschen. Ich ... Wir ... Du ... (Er hustet stark. Der Spot ist schwächer geworden. Vorhang.)

2. Akt, WARTEN

Die Bühne ist dunkel. Schwaches Tageslicht fällt durch das Fenster. Im Raum herrscht ein großes Chaos. Das Bett ist zerwühlt. Kissen und Decken liegen auf der Erde. Kleidungsstücke sind überall verstreut und leere Dosen, Flaschen, Verpackungsmüll, Zigarettenkippen, Toilettenpapierrolle. Der Mann kauert in Unterwäsche am Tisch. Er liegt mit dem Oberkörper auf dem Tisch. Die Arme baumeln seitwärts nach unten. Der schwache Spot trifft den Rücken des Mannes.

Auf dem Tisch: Leere Gebäckschachtel, leere Erdnusstüte, ein Glas, ein voller Aschenbecher, Zigaretten, Streichholzschachtel, eine leere Flasche. Eine zweite liegt unter dem Tisch.

Der Mann schläft, dreht sich hin und her, murmelt Unverständliches. Der Spot wird heller. Die Arme bewegen sich, streifen über die Tischplatte, Teile fallen herunter. Es läutet an der Tür. Der Mann stöhnt. Es läutet anhaltend und danach mehrmals in kurzen Abständen. Der Mann stößt gegen den Tisch, stemmt sich hoch. Wieder fallen Teile.

MANN: Lass mich in Ruhe. Ich bin nicht zu Hause. Verschwinde. (Klopfen an der Tür. Der Mann erhebt sich, wankt durch den Raum.)

MANN: Ich bin nicht zu Hause!!! Lass mich. (Er presst sich an die Tür. Er hustet. Es klopft wieder.)

MANN: Bleib wo du bist. Ich brauche dich nicht! (Er dreht sich um, lehnt mit dem Rücken an der Tür.)

MANN: Ich öffne nicht. Du bist für mich gestorben. Du existierst nicht mein Lieber. (Er rutscht langsam nach unten. Er hustet arg. Es klingelt anhaltend.)

MANN: Mir geht es gut. Sehr gut!! Ohne dich!!! (Eine große Ansichtskarte wird unter der Tür hindurchgeschoben. Der Mann greift nach ihr, hält sie hoch, kriecht, mit der Ansichtskarte in der Hand, auf die andere Raumseite, zum Fenster. Draußen ist es hell geworden. Er hockt unterhalb des Fensters, hält die Ansichtskarte ins Licht. Er entziffert mühsam und stockend.)

MANN: Es ist soweit, Partner. Ich hoffe, es geht dir angemessen. - Danke. Mir auch. - Ich wusste, dass du etwas aus der Situation machst. Eine kleine Verschnaufpause tut uns beiden gut. Man muss doch auch einmal zu sich selbst finden, nicht wahr? Hier auf Mallorca scheint die Sonne. Die brauche ich jetzt. - Ich hatte Zeit über uns beide nachzudenken. In den Farben des Südens sehe ich manches klarer. - Ich habe dir viel gegeben, mein Freund. Du weißt es. Ich muss jetzt auch einmal an mich denken. Du verstehst das sicher. Ich möchte dich besuchen, alter Junge. Ich habe dir Wichtiges zu sagen. Ich hoffe, es passt am Sonntag. Ich komme mit dem Nachtzug. Hole mich nicht ab. Mache dir keine Umstände. Ich bleibe nur ein paar Stunden. Bis bald. Dein - du weißt schon. (Die Karte gleitet aus der Hand. Der Arm sinkt. - Stille - Dann folgt Schluchzen, leise, sensibel wie ein Kind. Der Mann springt auf, trampelt auf der Karte herum, zerreißt sie, wirft Fetzen in die Luft.)

MANN: Das passt zu dir! Du ... Du ... Du Miststück! Mallorca!! Das passt. Und wie das passt. (Er schleppt sich zum Tisch, fällt auf einen Stuhl, sitzt mit hängenden Schultern da, hustet.) Mallorca, Sonne, Farben ... Du Schwein, du elendes.

(...)

3. Akt, VORBEREITUNG

Es ist dunkel auf der unveränderten Bühne. Der Mann ist nicht zu sehen. Durch das Fenster fällt wenig Licht. Der Spot steht schwach auf der Kante des leeren, zerwühlten Bettes. Unter dem Bett hört man Stöhnen und Worte.

MANN: Sie mag uns. Uns!! Hörst du?!! - Ich friere. Hörst du?!!! - Nein, ich friere nicht. Mir geht es gut. Ja, gut. - Komm nur. Komm. Du wirst ... (Ein starker Hustenanfall.)

MANN: Besser wird es sein ohne dich, farbiger, wärmer. - Und ich werde besser schlafen, ohne dich. - Viel besser!! Überhaupt. Alles wird besser. - Wir brauchen dich nicht. - Ich brauche niemanden. (Er wühlt unter dem Bett herum. Mal schauen die Beine links heraus, mal rechts, mal vorn.)

MANN: Ich werde mich auch selbst verwirklichen. Wollte ich schon immer! Du hast mich daran gehindert. Wie Blei hast du an mir gehangen. - Wer bin ich denn heute? Wer? (Kleidungsstücke und Gegenstände fliegen unter dem Bett hervor: Schuhe, Wecker, Hemd, Hut, Flaschen, Dosen.)

MANN: Du hast mich mit deinem Geschwafel blockiert, mit deinen Visionen, deinen großen Zielen. - Seifenblasen waren es. Worthülsen. Schaum. Bla, bla... Blub, blub, blub... Nichts weiter. Ich hatte viel vor! Aber natürlich nicht das, was du wolltest. Deshalb hatten wir ja immer Zoff. - Du hast mir im Weg gestanden - immer. (Er kriecht hustend hervor. Er trägt die graue Hose und das zerrissene Unterhemd, die Hosenträger hängen seitlich herunter. Er geht zum Spiegel.)

(...)

Er spuckt in die Toilette, zieht ab. Greift nach der Toilettenbürste, reinigt, zieht ab. Er schüttet ein staubendes weißes Pulver in die Toilette, säubert, eingehüllt in einen weißen Nebel, hustet arg. Er zieht ab und kommt hustend aus der weißen Wolke heraus, gießt Pulver in das Waschbecken, säubert es hustend mit der Klobürste. Er greift nach einem Flüssigreiniger in Sprayform, sprüht auf den Spiegel, Zitronenduft entfaltet sich. Er wischt den Spiegel mit dem Handtuch blank, haucht, wischt. Er geht zur Kommode, holt drei Weinflaschen heraus.
 
MANN: Was glaubst du, warum ich soviel trinke? (Er sucht den Korkenzieher, findet ihn, öffnet eine Flasche.)
 
MANN: Deine Marke! Den für besondere Anlässe. Zur Feier des Tages. - Komm nur. - Ich glaube, wir haben uns beide etwas Wichtiges zu sagen. Und darauf stoßen wir an, mein Lieber.

(...)

4. Akt, BESUCH

Es ist dunkel auf der Bühne. Der Mann liegt im Bett. Im Raum keine Veränderungen. Er schläft tief, liegt reglos. Leise Schlafgeräusche sind zu hören. Der Spot ist schwach auf seinen Körper gerichtet. Durch das weit geöffnete Fenster fällt hartes kaltes Mondlicht. Die Vorhänge bewegen sich kräftig im Abendwind. Ein Fensterflügel schlägt zu. Der Mann dreht sich murmelnd zur Seite, den Rücken zum Publikum gewendet.

MANN: Ich bin nicht zu Hause. Ich bin ... Was willst du? Ich bin ...

Der zuvor vom Wind zugeschlagene Fensterflügel öffnet sich. Ein weißes Gesicht schiebt sich in den Raum. Der Kopf-Darsteller trägt eine weiße Gesichtsmaske. Ein zweiter Spot ist auf seinen Kopf gerichtet. Der Lichtkegel verfolgt ihn während des gesamten Auftritts. Der Körper dieses Darstellers ist kaum zu erkennen. Er ist schwarz gekleidet. Alle sichtbaren Hautteile sind schwarz geschminkt. Er steigt durchs Fenster, hält eine weiße Einkaufstüte in der Hand. Die Vorhänge schweben im Raum. Er presst sich mit dem Rücken an die Wand neben dem Fenster. Die weiße Tüte gleitet zu Boden. - Stille - Er steht eine Weile reglos da. Der Mann im Bett stöhnt, wirft sich hin und her, liegt auf der Seite mit dem Rücken zum Publikum. Der Kopf-Darsteller löst sich von der Wand, geht gebückt auf das Bett zu. Er legt sich vorsichtig neben den Schlafenden auf die Bettkante. Er liegt ruhig da. Nur die weiße Maske ist von seinem Spot beleuchtet. - Stille - Eine Weile geschieht nichts. Der Kopf-Darsteller dreht sich zur Seite, betrachtet den Rücken des Schlafenden. Er dreht sich wieder zurück. Leise folgen Worte.

KOPF: Ich habe dich über, du Miststück. Du Betrüger. - Du betrügst alle, dich selbst am meisten. - Nicht mehr mich. (Stille - Der Kopf-Darsteller dreht sich wieder in Richtung des Schlafenden. Der Mann stöhnt im Schlaf. Der Kopf-Darsteller dreht sich zurück.)

KOPF: Wenn du die Luft raus lässt, die du ständig in dich hinein bläst, bleibt nichts von dir übrig. - Das Schlimme ist, du weißt es. Deshalb musst du ja so blasen. - Wer dich richtig kennt, verabscheut dich, muss dich meiden. - Oder er hat Mitleid mit dir, wie ich. Aber selbst das nutzt du aus. Alles nutzt du aus! Jeden, der dir die Hand reicht, nutzt du für irgend etwas. Ein Tier bist du. - Nein das wäre zuviel. Solch ein Tier gibt es nicht. (Der Mann stöhnt im Schlaf.)

KOPF: Vielleicht doch. Ein Vampir bist du. Verschlagen, hinterlistig lauerst du auf deine Opfer, springst sie an, blockierst sie mit deiner Masse, saugst, was du kriegen kannst. - Aber du brauchst einen Mechanismus der deine Handlungen steuert, koordiniert. Sonst schaffst du das nicht. Du brauchst Intellekt. Ohne bist du hilflos, bist du aufgeschmissen. Du Parasit. - Nicht mehr mit mir. Ich stehe dir nicht mehr zur Verfügung. - Lebe wie du leben möchtest. Aber lass mich da raus. - Du vegetierst alter Junge. - Friss. Sauf bis du platzt. Kopuliere bis du nicht mehr kannst. - Ohne mich. Sex steht an oberster Stelle deiner Bedürfnisskala. Wenn es nur nach dir ginge würdest du es auf der Straße treiben, mit jedem, mit jeder - wo immer es dich überkommt. Sofort und exzessiv. Ist das menschenwürdig? - Du hast viele Chancen vertan. - Wenn du mitgezogen hättest ... Aber es war ja nicht das, was du wolltest. Du hättest dich einbringen, dich engagieren müssen. ... Ich weiß. Dafür hattest du andere. - Nicht mehr mich. (Der Mann stöhnt, bewegt sich. Eine Weile ist Stille. Der Kopf-Darsteller richtet sich halb auf, beugt sich über den Schlafenden.)

KOPF: Ich habe dazu beigetragen, dass sich diese Missgeburt so entwickeln konnte. Schnaub nur. Das ist deine Sprache. - Wenn alle so wären wie du, gäbe es keine mehr wie dich. Sie hätten sich aufgefressen. (Der Kopf-Darsteller legt sich wieder zurück.)

KOPF: Fressen. Das scheint mir überhaupt das Wort zu sein, was dich prägt. (Er dreht sich zum Schlafenden.)

KOPF: Du brauchst viel Nahrung. Sehr viel. (Er dreht sich zurück.)

KOPF: Partner, mir graust vor dir.

(...)

5. Akt, DINNER

Mann und Kopf-Darsteller sitzen am Tisch. Auf dem Tisch eine Flasche, zwei Gläser, Aschenbecher, Zigaretten, Feuerzeug, eine geöffnete Tüte mit Erdnüssen, eine geöffnete Gebäckschachtel. Die weiße Tüte steht neben dem Tisch und eine weitere Flasche. Heller Tag flutet durch das geschlossene Fenster. Das Fensterkreuz zeichnet sich ab, auf der Bettkante und auf dem Boden. Der Mann trägt seine graue Hose mit Hosenträgern, weißes Hemd, eine offene graue Weste, weiße Socken, Schuhe. Der Mann sitzt, vom Zuschauerraum aus gesehen, links, der Kopf-Darsteller sitzt rechts. Der Mann sitzt zurückgelehnt auf seinem Stuhl. Er raucht, knabbert Gebäck und Erdnüsse. Ein Spot trifft seinen Körper. Der andere Spot trifft die Maske des Kopf-Darstellers.

KOPF: Noch ein Gläschen? (Er gießt beide Gläser voll. Er hebt sein Glas, streckt es dem Mann entgegen.)

KOPF: Eine kleine Freude braucht der Mensch. Es ist doch sonst alles so leer, so grau, so kalt, nicht wahr? Da muss man doch Farbe erzeugen, nicht wahr. Das weißt du besser als ich. Prost, alter Junge. (Beide stoßen an, trinken. Der Mann isst fortwährend Erdnüsse und Gebäck. Er stopft es sich in den Mund. Nüsse und Gebäckteile fallen herunter, verhaften auf der Kleidung. Ab und an fegt er sie mit der Hand fort.)

KOPF: Und was man braucht, hat man - nicht wahr? Wenn nicht, holt man sich’s - nicht wahr, alter Junge? Du schaffst das, mit Lissi. Du kriegst sie. Oder habt ihr schon? Du bist voll im Saft. (leiser) Dann hast du doch alles, was du brauchst. He alter Junge, Partner, Freund. (Er schlägt dem Mann auf den Rücken. Der verschluckt sich, prustet, hustet.)

KOPF: Ich sehe, wir verstehen uns. Peanuts? - Plätzchen? - Zigarettchen? - Greif zu. Es ist genug da. Ich weiß, was du magst. - Du bist gut dabei, mein Freund, siehst nicht schlecht aus, wenn man bedenkt ... (er räuspert sich) - Wie waren die letzten Tage? - Du bist hingefallen. Ich weiß. Du hast es mir erzählt. Wie schrecklich. Der Boden ist uneben. - Ja das ist eine miese Bude hier. Es wird Zeit, dass du dich nach einer angemessenen Behausung umschaust. Mit Lissi schaffst du das, alter Junge! Sie hat doch eine gute Position in ihrer Firma. Gönnt euch was!! (leiser) Ihr beide. (Er schlägt dem Mann auf den Rücken. Der verschluckt sich, prustet, hustet.)

KOPF: Du machst das schon. Bei deinem Scharm, bei deiner Ausstrahlung. Du hast es drauf Alter. Wer kann dir widerstehen? Möchtest du noch ein Zigarettchen? Ein Plätz...? (Er hält ihm die Zigaretten hin. Der Mann zündet sich kauend eine neue an.) Noch ein Gläschen? - Peanuts? - Du bedienst dich. (Er schenkt das Glas des Mannes wieder voll.) Siehst du, wir verstehen uns. - Zeitweilig. - Heute ist doch ein besonderer Tag. -Trink. Lass es dir gut gehen. He alter Junge! Wir haben etwas zu feiern!! (Er schlägt dem Mann auf den Rücken. Der verschluckt sich, prustet, hustet.)

KOPF: Entschuldige. Ein Reflex. Wird sich alles ändern. - Kommen wir zum Thema. (Der Kopf-Darsteller lehnt sich ebenfalls zurück.) Ich habe viel über uns nachgedacht, hatte ja jetzt Zeit dazu. Ich wusste, dass du gut aufgehoben bist. Du versorgst dich selbst, nicht wahr? - He alter Junge! Auf, auf! Kopf hoch!! (Er schlägt dem Mann auf den Rücken. Der verschluckt sich, prustet, hustet.)

KOPF: Oh, entschuldige. Das war dumm, geschmacklos. Ein Reflex. Du weißt schon - Du kennst das ja. Peanuts? - Plätzchen? - Ziga...? - Ich habe noch mehr. Warte, alter Junge. (Er greift in die Tüte, öffnet eine neue Erdnusspackung, legt noch eine Schachtel Zigaretten auf den Tisch. Er schenkt beide Gläser voll.)

KOPF: Weißt du, was ich herausgefunden habe? Nein. Du kannst es ja nicht wissen. Ich weiß es selbst erst seit wenigen Tagen. - Du denkst sicherlich ... Entschuldige. Das war schon wieder geschmacklos. Dafür hattest du natürlich mich. Entschuldige, das war auch ... - Prost. Der Wein ist gut, gell? - Es war doch eigentlich eine gute Zeit, unsere Zeit meine ich - für dich. Peanuts? - Zigarettchen? - Plätz...? - Du hattest dich, dich und dich, nicht wahr? Und deine Seele, deine innere Stimme. Ihr seit doch Kumpels. - Und Vergnügen hatten wir auch immer. Wir waren begehrt! - Du bist es noch. He Alter!

(...)

KOPF: Wo, wo war ich stehengeblieben? (Er hält den Block wieder hoch, blättert.) Hier habe ich alles notiert. (Der Mann sitzt zusammengesunken, vornüber gebeugt, auf dem Stuhl. Seine Hände umspannen die Tischbeine. Er stöhnt, wiegt den Oberkörper vor und zurück. Der Tisch bewegt sich in diesem Rhythmus. Der Kopf-Darsteller rückt mit seinem Stuhl nach hinten.)

KOPF: Die Analyse habe ich ausgewertet und ... Jetzt bist du aber sicher gespannt, alter Junge. Du wirst es nicht glauben. Willst du noch ... (Er hat sich erhoben, schaut besorgt zu dem Mann.) Es geht dir doch gut, oder? - He Alter ...! (Er hebt die Hand, um dem Mann auf den Rücken zu schlagen. Lässt es aber. Der Mann krümmt sich, knurrt leise.) Die Zielsetzung ist ja eigentlich klar. - Wir müssen ... Wir sollten ... hmm. (Der Mann richtet sich langsam auf. Der Tisch wird mit angehoben. Gläser klirren zu Boden. Gegenstände fallen herunter.) ...

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Gute Nacht Lisa
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Ich lebe

Ich liebe

Ich denke

Puppenmacher

Hurra,
heute mauern
wir uns ein