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Ich denke

Ein schlimmes Theaterstück für zwei Darsteller, aus der Trilogie: Ich lebe / Ich liebe / Ich denke.
Es geht um das, was vielleicht kommt. Spielzeit ca. 35 Minuten.
eBook, ca. 19 Seiten, 7,99 EURO

Es geht um nichts Besonderes. Die beiden Akteure unterhalten sich nett über dieses und jenes. Das ist alles. Es sind keine Requisiten erforderlich.

AUS DEM INHALT:

Das Licht geht an. Die beiden Akteure stehen mit verschränkten Armen auf der Bühne. Sie schauen ernst ins Publikum.

DARSTELLER 1: Ich denke.

DARSTELLER 2: An was?

DARSTELLER 1: An vieles.

DARSTELLER 2: Ich auch.

DARSTELLER 1: Es lässt mich nicht mehr los.

DARSTELLER 2: Was?

DARSTELLER 1: Das, woran ich denke.

DARSTELLER 2: Was ist es denn? Erzähle mir davon.

DARSTELLER 1: Das kann ich nicht.

DARSTELLER 2: Warum?

DARSTELLER 1: Weil ich es noch nicht zu Ende gedacht habe.

DARSTELLER 2: Aha.

Stille

DARSTELLER 2: Schade.

DARSTELLER 1: Was ist schade?

DARSTELLER 2: Das du mir noch nicht sagen kannst an was du denkst.

DARSTELLER 1: Doch, ich kann. Nur ...

DARSTELLER 2: Was nur?

DARSTELLER 1: Es ist halt unvollständig.

DARSTELLER 2: Sag’s trotzdem. Vielleicht können wir es gemeinsam zu Ende denken.

DARSTELLER 1: Das glaube ich nicht.

DARSTELLER 2: Warum?

DARSTELLER 1: Es ist sehr sehr schwierig.

DARSTELLER 2: Eben drum. Jetzt will ich es aber wissen. Du machst es spannend, mein Freund. Raus damit!!

DARSTELLER 1: Ich denke ... Also, weißt du ... Manchmal denke ich ...

DARSTELLER 2: Ich auch.

DARSTELLER 1: Ahhh ... Das war aber jetzt blöd von dir. - Also ... Ich denke manchmal ... Weißt du ... Unsere Welt ...

DARSTELLER 2: Was ist damit?

DARSTELLER 1: Tja ... Also ... ich denke ... sie wird dümmer.

DARSTELLER 2: Wer?

DARSTELLER 1: Die Welt. Sagte ich doch.

DARSTELLER 2: Hmm.

Stille

DARSTELLER 2: Die Welt kann nicht dümmer werden. Du meinst die Menschen.

DARSTELLER 1: Natürlich meine ich die Menschen.

DARSTELLER 2: Ach so.

Stille

DARSTELLER 2: Und?

DARSTELLER 1: Was und?

DARSTELLER 2: Wieso glaubst du das? Wir haben doch so viele Schulen und so viele Lehrer, rund um den Globus. Das war noch nie so. Wahrscheinlich gibt es heute in jedem Wüstendorf Lehrer. Außerdem haben wir Computer, Satellitentechnik, Internet ... Ein Kommunikationsnetz. Ein Netz des Wissens rings um den Erdball. Und jeder kann teilnehmen, sich bilden, sich fortentwickeln. Unser Wissen ist heute global verfügbar. Auf Knopfdruck, mein Freund.

DARSTELLER 1: Das ist es ja gerade.

DARSTELLER 2: Was?

DARSTELLER 1: Der Knopfdruck.

DARSTELLER 2: Was meinst du damit?

DARSTELLER 1: Ein Knopfdruck bedeutet doch nicht, dass man danach etwas weiß. - Ich meine hinterher, nach dem Knopfdruck. Da gehört doch mehr dazu.

DARSTELLER 2: Ein moderner Mensch.

DARSTELLER 1: Ja, eben der. Um den geht es. Um den mache ich mir Sorgen. Große Sorgen. Er wird dümmer.

DARSTELLER 2: Das verstehe ich nicht. Das musst du mir erklären. Wie können Menschen dümmer werden, wenn sie über das Wissen der Welt verfügen? Es liegt ihnen doch zu Füßen.

DARSTELLER 1: Genau darum geht es. Sie müssten sich ja bücken. Und das ist anstrengend.

Stille

DARSTELLER 2: Die Verfügbarkeit ist das Besondere. Das Neue.

DARSTELLER 1: Du hast recht. Ich glaube, das ist der Knackpunkt. Vielleicht liegt es ja nur daran. Das muss ich noch durchdenken.

DARSTELLER 2: Woran liegt was?

DARSTELLER 1: An der Verfügbarkeit. Das Besondere.

DARSTELLER 2: Das verstehe ich nicht.

DARSTELLER 1: Du sprachst gerade davon, dass der moderne Mensch über alles verfügen kann.

DARSTELLER 2: So habe ich das nicht gesagt. Ich habe es auf das Wissen bezogen, auf die Substanz. Ich wollte sagen ...

DARSTELLER 1: Substanz. Ja. Ich glaube darum geht es auch. Aber was wolltest du sagen? Entschuldige bitte, ich habe dich unterbrochen.

DARSTELLER 2: Also, ich wollte sagen, dass ich dich nicht verstehe, deine Haltung, deine Leidensmine. - Wenn du dich jetzt sehen könntest. Wie du da stehst. - Als müsstest du zu deiner Beerdigung.

DARSTELLER 1: Vielleicht ist es ja so. Ja. Du hast Recht. So fühle ich mich.

DARSTELLER 2: Aber wo siehst du denn ein Problem? Was macht dich so traurig?

DARSTELLER 1: Alles. - Schau dich doch einmal um. Wo findest du die Dinge noch an ihrem Platz? Ich meine in der Hierarchie, wie es sich gehört, in der Werteskala, die doch jeder Sache zu Grunde liegt. - Wo stimmen denn die Werte noch? Ganz gleich auf was du verweist. Alles wird weniger, löchriger, dümmer.

DARSTELLER 2: Ich verstehe dich nicht. Drück dich präziser aus.

DARSTELLER 1: Ich versuche es. - Schau mal. Wir sind doch global vernetzt, mit allem was uns interessiert, durch die moderne Technik, die du beschreibst. Aber wenn du abends dein Fernsehgerät anschaltest, was siehst du da?

DARSTELLER 2: Was soll ich sehen? Wie kann ich diese Frage beantworten? Schließlich verfüge ich über mehr als 100 Programme.

DARSTELLER 1: Da ist es wieder. - Verfügen - Das scheint wirklich der Knackpunkt zu sein.

DARSTELLER 2: Ich kann wählen. Vielleicht gefällt dir dieses Wort besser.

DARSTELLER 1: Was wählst du? Das möchte ich wissen. Was lohnt sich anzuschauen? Gibt es etwas. Sage es mir.

DARSTELLER 2: Du bist gut. Ich schaue, was mich interessiert.

DARSTELLER 1: Was? - Was interessiert dich?

DARSTELLER 2: Eine ganze Menge, mein Freund. Ich kann mich meist gar nicht entscheiden und schalte sogar oft hin und her. Es gibt sehr unterhaltsame Sendungen. Sogar Spiele, bei denen du richtig mitmachen kannst. Die lassen sich ständig was Neues einfallen. Da weiß man doch gar nicht mehr ...

DARSTELLER 1: Da ist es. Ich wusste es.

DARSTELLER 2: Was?

DARSTELLER 1: Ich halte das nicht mehr aus. - Selbst du, mein bester Freund ... Du bist genau so betroffen wie alle.

DARSTELLER 2: Von was bin ich betroffen?

DARSTELLER 1: Von dieser Krankheit.

DARSTELLER 2: Von welcher?

DARSTELLER 1: Die, die alle dümmer macht. Die Krankheit dieser vernetzten Gesellschaft. Und das betrifft nicht nur uns, in diesem Land!! - Alle werden infiziert, rings um den Globus. Alle Menschen!! Das macht mich so traurig. Wir haben gar keine Chance. Ganz gleich wie und wo wir leben. Das Netz überträgt die Krankheit.

Stille

DARSTELLER 1: Vor einigen Jahren wurde mir das schon klar, in Ägypten. Ich bin abends durch die Souks geschlendert. Was glaubst du, was die Händler gemacht haben? Sie haben mir nicht ihre Ware angeboten. Nein. - Sie haben mir den Rücken zugedreht. Viele hatten einen kleinen Fernsehapparat neben der Auslage. Und was fesselte sie so? Eine amerikanische Serie. Eine Seifenoper. So nennt man das ja. – S-e-i-f-e-n-o-p-e-r. Welch ein kluges Wort. Das sagt doch schon alles.

Stille

DARSTELLER 2: Willst du etwa behaupten ...

DARSTELLER 1: Nein. Behaupten möchte ich nichts. Das steht mir nicht zu. Ich denke nur darüber nach. Und es macht mir Angst.

DARSTELLER 2: Was macht dir denn Angst?

DARSTELLER 1: Die Vorstellung, wohin das führt.

DARSTELLER 2: Wohin führt es denn, was glaubst du?

DARSTELLER 1: Mir dreht sich der Magen um, wenn ich höre, wie jemand einen Colaschoppen bestellt und dazu Pommes mit Majo. - Weißt du, was das ist?

DARSTELLER 2: Natürlich.

DARSTELLER 1: Klar. - Tiefstes Mittelalter ist das!! Nein, das stimmt nicht. Die Menschen im Mittelalter waren weiter. - Pommes steht heute sogar im Duden. Stell dir das vor!! Ihr tut mir alle leid. - Aber, ihr werdet ja reingelegt. Ihr seid ein Produkt dieser Multikultigesellschaft und dieser Global Player. So nennt man das ja heute. - Kultur ... ich meine kulturelle Werte, die gibt es doch bald nicht mehr. Weil sich niemand mehr dafür interessiert. Oder nur eine kleine Minderheit. - Und die wird doch schon ausgelacht, wenn sie sich dazu bekennt.

Das ist gefährlich!! Unterschätze es nicht. Die Pyramide wird auf den Kopf gestellt, Tag und Nacht werden ausgetauscht, Werte ausgelöscht, ersetzt durch ... Matsch. Mehr ist das doch nicht.

Wenn ich diese Roller in der Zeitung abgebildet sehe, Roller, wie wir sie als Kinder hatten, Roller für Erwachsene. Ganz kleine. Zusammenklappbar. Sogar als E-Roller, dann nennt man sie wohl Scooter ... Und teuer. Kaum zu glauben.

Damit rollen die modernen Manager jetzt vom Bahnsteig zum Abfertigungsschalter im Flughafen. Hast du das schon mal erlebt? Wenn ich das sehe, denke ich, ich bin in einem Film. - Eine Komödie. Irgendwas Lustiges. Nein Saublödes.

Und die jungen Leute, die Hosen tragen, ... fünf Nummern zu groß. Die auf dem Hintern hängen. Nein tiefer. Viel tiefer. Hier unten. Oben guckt der Hintern raus. Hast du das schon gesehen? Natürlich hast du.

Und Schuhe tragen die, als kämen sie aus der Arktis. Auch die Mädchen. Mit solchen Sohlen, im Sommer, mein Lieber!! Und dazu tragen sie stolz, wie kann es anders sein, rote Haare - knallrot!! - Oder grüne. Oder gelbe. Violett in Streifen. Links gelb, rechts Pink!! Und Ringe in der Nase, und ... und Tattoos überall. Ich komme da nicht mehr mit. Das ist nicht mehr meine Welt. - Aber wohin kann ich ausweichen, mich retten, vor all dem?

Stille

DARSTELLER 1: Du sagst nichts.

DARSTELLER 2: Ich kaufe mir jetzt wohl auch so einen ... Roller. Natürlich als E-Roller, vielleicht sogar einen Turbo Elektro Scooter, 1000 Watt, der wiegt nur 40 Kilo. Du kannst damit ... Ich finde sie gar nicht so dumm. Überleg doch mal ...

DARSTELLER 1: Ahhh... Ich halte das nicht mehr aus. Duuu – mein bester ...

Er sinkt zum Boden, hockt dort, das Gesicht in die Hände vergraben. Das Bühnenlicht wird schwächer.

Mein Freund. Mein bester Freund. Und diese Welt, die nicht mehr meine ist.

Stille

DARSTELLER 2: Steh auf. Was denken dann die Leute da unten. Du nimmst das alles zu ernst. Du musst da lockerer ran gehen, mehr über den Dingen stehen. Versuch dich anzupassen! Das machen wir doch auch. Das machen .... Meinst du ich finde alles schön und gut?

Und diese Scooter ... Also ... Du musst dich nicht mit allem identifizieren mein Freund. Du kannst natürlich tun und lassen, was dir beliebt. Du wirst nicht ausgelacht, wenn du keinen Scooter besitzt. - Aber - Du darfst nicht blockieren!!

DARSTELLER 1: (noch immer im sitzen von unten) Was blockiere ich?

DARSTELLER 2: Dich. Du blockierst dich selbst. Du musst mitgehen, mein Freund. Alles ist im Fluss. Das ist Evolution mein Lieber!! Das wissen wir doch. Wir können die Zeit nicht anhalten. - Wir schreiten. (er macht es vor) Dabei entsteht Fortschritt.

So ist das nun mal. - Aber ... du musst mitkommen. Du kannst nicht stehen bleiben. - Ich glaube, das löst dein Problem. Dann fühlst du dich besser. So steh doch auf. Was sollen die Leute da unten von uns denken? Die denken dann nur ...

DARSTELLER 1: Das halte ich nicht mehr aus. Mir wird schlecht, wenn ich dir noch länger zuhören muss. Und du bist mein bester Freund. Jedenfalls habe ich dich bisher dafür gehalten.

Ich weigere mich. Ich steige aus. Ich muss mich auch von dir distanzieren. Das ist hart. Aber was bleibt mir sonst? Wir haben keine gemeinsame Denke und keine gemeinsame Sprache mehr. Ich erkenne es in diesem Augenblick.

Was du als Fortschritt bezeichnest, ist Rückschritt der schlimmsten Form. Aber ihr seid alle schon so verblendet, dass ihr es nicht mehr wahrnehmt. Ihr lullt euch ein mit Uraltformeln und glaubt tolerant zu sein, in dem ihr euch mit dem Schwachsinn arrangiert, der euch umgibt.

Ich bin in meinem Denken durch dieses Gespräch weiter gekommen, mein Lieber. Dafür danke ich dir. Die Menschheit hat damit begonnen sich selbst aufzulösen. Das ist mir nun klar. - Wenn es da oben fehlt. Da oben meine ich. - Dann fehlt es überall. Das macht mich ja so traurig.

Stille

DARSTELLER 2: Komm hoch. Du siehst die Dinge zu schwarz.

Er versucht ihn aufzurichten. Darsteller 1 wehrt sich dagegen.

DARSTELLER 1: Nein. Ich sehe nicht schwarz. Ich sehe, was ihr nicht mehr seht. Das ist alles. Es wird immer dunkler. Die Verdummungsexperten, die euch beherrschen, drehen das Licht aus, wie an einem Dimmer. Ganz langsam aber beständig. Ihr merkt es nicht.

Das sehe ich nun sehr deutlich. Ich bleibe hier sitzen. Ich verweigere. Alles!! Alles!!! Ich muss mich vor euch schützen.

Er schlägt mit den Armen um sich.

Stille

DARSTELLER 2: Du bist krank, mein Freund. Komm doch ..., bitte.

...

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